Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

Cinleitung. 
te Und endlich wird der Gegner sagen: das Schöne wirkt 
[e auch auf verschiedene Menschen verschieden. Gibt es nun keine 
ie gemeinsame Ansicht über das, was schön ist, so können wir das 
st Objekt ja gar nicht fassen. 
Nehmen wir diese Einwände der Reihe nach auf! 
Gegen die Möglichkeit einer Wissenschaft des Shönen wird 
n vor allem angeführt die Unergründlichfeit des Kunstwerks. 
e Sie hat, sagt man, ihren Grund darin, daß es unersekßlich it: 
Worte, Begriffe können kein Surrogat dafür sein; für das 
* Schöne kann es keinen Ausdru> geben als das Schöne selbst. 
Aber folgt denn daraus, daß ich das, was der Künstler schafft, 
nicht begriffsmäßig untersuchen kann? Wir haben hier doch 
etwas, woran sich Verhältnisse, Teile , Grenzen, Farben, Ton- 
stufen, bestimmte Wirkungen wahrnehmen lassen. Und wir dürfen 
uns doch besinnen, wie es möglich ist, daß man, statt in Worten, 
in Formen denken und sprechen kann. =- Gewiß, es ist ja wahr: 
wir gelangen da zu keinem Ende; das Schöne läßt sich mit 
Gedanken nicht ganz einholen und wird immer inkommen- 
surabel sein. Es kann einer meinen, er habe ein Kunst- 
werf erschöpft und auf Begriffe zurükgeführt, die sich in 
Worten aussprechen lassen. Kommt er dann wieder, so muß er 
finden, daß eine ganze Fülle von Gesichtspunkten noh unbegriffen 
ist. Allein gerade das ist jeht unsere Aufgabe, das Suchen. 
Wenn auch nicht alles am Gegenstand faßbar ist, so läßt uns 
do< der Drang nah ästhetischer Erkenntnis nie in Ruhe. Unsere 
Aufgabe bleibt also auf jeden Fall das Su<ßen. Und das, was 
wir finden, sollen wir auc<ß schäßen. Denkendes Analysieren 
eines Kunstwerks bringt ja doch nicht nichts zu Tage, sondern 
sehr etwas. Wenn wir auc<h Faust und Hamlet nie ganz er- 
gründen, so können wir doh bis zu einer gewissen Tiefe diesem 
und jenem darin beikommen, sofern wir uns nur recht Mühe 
geben. Wir können uns z. B. über die Komposition klar werden, 
können klar werden darüber, warum der Dichter seine Charaktere 
so und eben so gestellt hat , können Licht gewinnen über die 
Scenenfolge, über die Grundidee, über die Hauptpersonen. 
Gewiß , alles auf einmal wird der- suchende Betrachter nicht
	        
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