Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

Cinleitung. , 
1 der Wissenschaft, deren Anfänge nicht im Unbewußten liegen 
würden. Das Recht z. B. hat lang, ehe es in Begriffe und 
' Geseße gefaßt wurde, dunkel im Menschen gewaltet. Was ist 
heller als die Erkenntnis selbst? Aber auch sie tritt immer 
zuerst im Flor der Ahnung auf. Alles Sittliche fängt mit 
Empfindung an und gelangt erst dann zu klaren Grundsäßen. 
Wenn also etwas darum unbegreiflich ist, weil es vom Un- 
bewußten ausgeht, dann fahre wohl alle Wissenschaft des Geistes! 
Denn das ist ja eben ihr Geschäft, Unbewußtes ins Bewußtsein 
zu erheben; sie ist ja gerade die Leuchte im Schattenland- der 
Triebe. =- Es verhält sih da, wie wenn man in eine große 
Wajsertiefe hineinblickt: anfangs sieht man nichts, dann tiefer 
und tiefer, den Boden nie. Man wird den Meeres8grund auch 
im Schönen nie sehen. =- In früheren Zeiten, da freilich 
glaubte ich in die Tiefe dringen zu können; man wird mit dem 
Alter bescheidener. =- Aber schon das ist Erkenntnis, wenn wir 
erfennen, warum wir die Phantasie nicht ganz erkennen. -- 
Mit Grübeln kann kein Kunstwerk entstehen. Ein s<arfes 
und gründliches Denken muß zwar seine Entstehung begleiten, 
das Talent jedo<h muß angeboren sein, es kommt aus einem 
dunkeln Naturshoß. Unbewußtes waltet hier no<h mehr als in 
allen anderen Gebieten. Trozdem muß auc<h diese Nacht sich 
erleuchten lassen. Wagen wir es nur einzudringen ; es gibt 
keine absolute Finsternis. Das Vermögen, wodurch Schönes 
entsteht, die Natur der Phantasie und des in sie aufgehenden 
Ganzen der geistigen Kräfte werden wir do<h so weit zu er- 
kennen vermögen, daß sich uns gewisse Unterscheidungslinien 
darin bilden. Wir finden ihr Schaffen gewissen Gesehen unter- 
worfen. Der Künstler glaubt frei zu handeln und ist doch auf 
sie angewiesen. Nun treten freilich in jedem einzelnen Alte 
der fünsileris<en Schöpfung diese Geseze zu einem ganz neuen 
und nur sich selbst gleichen Werke zusammen. Irgend ein 
Stoff gibt irgend einem, vorher nicht zu bestimmenden Jndi- 
viduum den Anstoß. Allein die Normen, wonach die Phantasie 
wirken muß, sind, obwohl in jedem neuen Fall in einer neuen
	        
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