Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

u Erster Teil. 8 2. 
Man soll nicht sagen: „dieser Wein s<hme>t gut“, sondern: „er 
s<hmedt für mich gut“. Da liegt eben alles in der Zufällig- 
keit persönlicher Neigung, im Privatinteresse. 
Die Empfindung des Schönen ist dagegen objektiv; sie geht 
ausschließlih auf das Bild eines Gegenstandes. Und so exr- 
weist sich die Wahrheit des Sates: die ästhetische Lust ist nicht 
nur eine sinnliche. 
Mit dem Worte angenehm verbinden wir wohl auch Den 
Begriff eines gemis<ten Wohlgefallens, wo neben den finn- 
lichen Faktoren geistige mitspielen. Angenehm in diesem zwei- 
fa<en Sinn nennen wir 3. B. eine Unterhaltung, welche mit 
Menschen, die uns sympathisch sind, in bequemer Situation, be- 
haglichem Raum, bei guter Bewirtung stattfindet. Im allgemeinen 
bezeihnet man aber damit zunächst eine Eigenschaft | innlichen 
Wohlgefallens, einen äußeren Eindruck, den die Sinne gern 
annehmen. 
Kant sagt: sinnliches Interesse findet statt, wenn mir nicht 
bloß der Gegenstand, sondern seine Existenz gefällt, d. h. wenn 
ich wünsche, daß er für mich da sei. Ein solches Interesse nennen 
wir pathologisch. Pathologisch heißt: was sich auf einen leiden- 
den Zustand bezieht, krankhaft, in weiterer Bedeutung: sinnlich 
befangen. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch versteht man Unker 
Pathos: feierlich gehobene Stimmung. Pathos heißt aber ur- 
sprünglich Leiden. Pathologie nennen wir die Krankheitslehre, 
die Wissenschaft, welche sich mit leidenden, krankhaften Zuständen 
beschäftigt. 
Dagegen ist nun also der ästhetisch Betrac<htende frei von 
sinnlicher Befangenheit, frei von Leidenschaft. Alles Pathologische, 
alles wirkliche Begehren oder Verabscheuen, jeder Wunsc< that- 
sächliher Aneignung oder Verwerfung bleibt vom Standpunkt 
reiner Kontemplation ausgeschlossen. 
Nun müssen wir es aber genauer nehmen mit der Frage, 
wel<he Sinne am Schönen beteiligt sind. 
Da haben wir zu unterscheiden unjer Verhalten gegenüber 
der Kunst und gegenüber dem Naturs<hönen. Bei diesem 
spielen auch Sinne herein, die bei jener nicht in eigentliche 
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