Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

(3 Erster Teil. 8 3. 
der Sache, und weil er deshalb nicht die Erscheinung als solche 
erfaßt. 
Prinzipiell bleiben diese Sätze in Geltung, wenn auch ge- 
wisse Mischgebiete, wie das der Lehrpoesie, nicht absolut aus- 
geschlossen sind. Es gibt Malerei und Dichtkunst, welche sich 
strafend zur Gegenwart verhält. Die Karikatur zum Beispiel, 
was hat sie alles mitgewirkt bei der Reformation, in zahlreichen 
Flugschriften, bei der Revolution! Was alles hat die Poesie 
zur Förderung der Völker beigetragen durc< belehrende und 
jatiris<e Dichtungen! Es sind das aber keine reinen selbstän- 
digen Formen oder Zweige der Kunst, sondern Uebergangs- 
formen, Nebenzweige, anhängende Gebiete wie das Kunst- 
handwerk. 
Im Schönen heißt es also: nicht einrennen mit diesem 
oder jenem Zwe, sondern schauen und nichts anderes. Es 
herrs<t ruhiges Belassen und Betrachten. Denn die 
ästhetische Auffassung verhält sih zu ihrem Gegenstand ganz 
objektiv, läßt ihn unberührt stehen, greift nicht ein, will nichts 
daran verändern oder forcieren. 
Es ist arg, wie unsere Zeit diese Stimmung seelenruhigen 
Betrachtens zerzaust. Unser Leben wird in das allgemeine Ge- 
läufe und Gedränge immer nervöser hineingerissen. Es ist ja 
selbstverständlich: i< will dur<aus nicht den unendlichen Fort- 
schritt bemäkeln, der in den Eisenbahzen liegt. Aber jekt, wo 
wir in so rasender Eile fliegen, daß nur ein paar Minuten 
Aufenthalt schon zu viel sind, gerät die Seele in ein Jagen 
und Heßen, daß wir kaum mehr in die Stimmung kommen, z. B. 
vor einer Landsc<haft ganz ruhig betrachtend zu verweilen. Sie 
werden sagen: mit der Eisenbahn kommt man ja schneller in 
schöne Gegenden, zu Kunstsammlungen... Allein durc< dieses 
Hasten kommt man auch nachher nicht zum Genießen, wie dies 
die Mehrzahl des Reisevolkes, das uns jeßt alles Hochgebirg 
überschwemmt, genügend zeigt, wenn ihm einmal ein Stück 
shöne Natur vor Augen kommt. Bengalisch beleuchtet will es 
sie haben, frisiert. I< bestieg im September den Gotthard, 
fam zur Teufelsbrü>ke, wo die Zeugen der Urgeschichte unseres 
SR
	        
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