Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

Ruhiges Betrachten. 47 
Planeten so fürchterlich aufstarren. Dort waltet eine Einsamkeit 
tragischer Art, nur unterbrohen von den wahnsinnigen Donner- 
stürzen der Wasserfälle. Aber alle Freitag bengalisc<he Beleuchtung. 
Das ist für unser Reisepa>. Und table d'höte, Thee, Cham- 
vagner, den ganzen Stadtklats< will es haben mitten in den 
Bergen, alle Bequemlichkeiten der Kultur. Es fällt ihm nicht 
ein , sich lebendig in das Landleben zu versehen, mit seiner 
Sclichtheit vorlieb zu nehmen und sich der reinen Betrachtung 
hinzugeben; es thut nur so manchmal. 
Und was sucht man im Haus der Kunst? Die Mehrheit 
meint, der Wert eines schönen Werkes sei danac< zu sc<häßen, 
wie viel sich Neues, Interessantes, Aktuelles herausklauben lasse, 
wie viel es abwerfe von Gedanken, Witzen, Aufregungen, 
Rührungen. Jhr stumpfer Nerv will möglichst scharfe Reize, 
stärkste Sensation. Um so mehr ist es angezeigt, in seiner ganzen 
Wichtigkeit das hervorzuheben, was dagegen wie etwas Blödes 
scheint: die reine Anschauung. Man kann diesen Ausdru> auch 
vergleichweise anwenden auf die Musik, auf das Tonbild und 
vollends auf die Poesie. Ein Dichter gibt uns innerlich zu 
shauen. Wir sollen einfa<ß schauen und dabei nichts denken. 
Freilich, wir können eigentlih niemals nichts denken, aber wir 
können die Gedanken nur accompagnierend, frei nebenher laufen 
lassen. Nicht mit Denken, sondern mit Versenken muß das 
Kunstwerk erfaßt werden. -Es handelt sich ja hier nicht im ge- 
wöhnlichen Sinne des Wortes um eine Sprache, die sich zu- 
nächst immer an unseren Verstand wendet. Durch die Worte 
will. der Dichter uns nur Bilder vorführen, in die wir 
uns - versenken sollen. Man redet oft von der Sprache der 
Kunst, aber diese Sprache ist eine ganz andere als die gewöhn- 
lihe, sie spricht in und dur< Formen. Wir wollen in ihrem 
Gebiete nichts anderes fühlen als Formen, im übrigen soll unsere 
Seele ganz und gar still sein. Wo dieses reine Betrachten, 
dieses Versenken der Seele in Bild und Einklang nicht statt- 
findet, da kommt nun das Gemüt mit seinen übrigen festen 
Neigungen, fals<en und halbwahren Prinzipien, mit den Ein- 
seitigfeiten, woran jeder Mensc< leidet, da mischt sich die un-
	        
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