Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

1 Gxsierx Teil 8,5. 
tieft, und der hier die Formen so großartig gebildet hat. Das 
ist nicht nur ein Künstler, der gut malen kann; er ist derselbe, 
der diesen seligen Traum in sich erlebt. 
Die Götter der Alten waren in der Volksphantasie ur- 
sprünglich nicht so s<hön, wie wir sie durc< Künstler und Dichter 
kennen. Ein Grieche sagte: Homer und die Dichter haben den 
Griechen ihre Götter gegeben. Er hätte hinzuseßen können: so- 
wie die Bildner und Maler. Sie haben aus sehr ungeschlachten 
Vorstellungen durc< ihre Kunst die Gestalten erst erhoben, die 
so herrlich sind. Gehaltvertiefung und Formerhöhung, Gehalt- 
erhöhung und Formsc<affung ist alles eine Kraft im Künstler. 
Einheit in Gehalt und Form also, nicht zwei Werte! 
Der Paragraph sagt nun: „daher ist die Form wesentlich 
qualitativ und von freiem Leben dur<drungen.“ Das 
Qualitative im Schönen ist freier Ausdru> des Lebensgehalts in 
der Form. Alles Schöne hat den Charakter der Freiheit, der 
Selbstgenügsamkeit. „Was aber schön ist, selig scheint es in ihm 
selbst“, sagt Mörike in einem Gedicht (auf eine Lampe). Scönes 
entsteht nur, wenn ein ganzer voller Mensc< sein inneres Wesen, 
das Geheimnis seiner Seele, in einen Gegenstand getaucht hat. 
So wird das Kunstwerk ein zaubrisch Beseeltes, daher ein 
Freies, das wie ein Planet um seine eigene Achse sich bewegt 
und sein eigenes Leben hat. So schließt das Schöne alles Ge- 
zwungene aus *). 
Aber wie denn? Wo ist das Freibewegte in der Architektur, 
die doch so ganz gemessen ist? Antwort: Eben da, wo das Frei- 
bewegte in ihr waltet. Der beste Meßkünstler würde als solcher 
no< fein schönes Gebäude bauen können; das kann bloß der, 
welcher die Formen so behandelt, daß sie aussehen wie frei sich 
bewegende Kräfte, so daß diese Säule zu steigen, diese Wölbung 
fich zu schwingen, das Ganze zu leben sc<eint. 
In der Skulptur wird man keine Gestalt ertragen, die 
soldatisch straff dasteht; alles Kommandierte sieht hier unerträg- 
1) Rosenkranz definiert (in seiner Aesthetik des Häßlichen) das Schöne 
als die Jdee, wie sie im Elemente des Sinnlichen als die freie Gestaltung 
einer harmonischen Totalität sich auswirkt. 
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