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beginnt im Sommer um 6 Uhr, im Winter um 7 Uhr Morgens und endigt
um 4 Uhr bezw. 5 Uhr Nachmittags (sog. englische Arbeitszeit). Der exr-
hebliche Vorteil dieser Regelung, welche allgemeinen Beifall gefunden hat,
liegt in dem frühzeitigen Arbeitsschlusse. Die kurze Mittagspause genügt
zur Einnahme der mitgebrachten Lebensmittel oder des zugeschiten Mittag-
essens. Man verzichtet hierbei also freiwillig auf eine längere Mittagspause
und gibt damit zu, daß ihr Wert gering ist. Eine Mittagspause , welche
namentlich den Frauen die Bereitung und Einnahme der Mahlzeit,
das Stillen oder die Pflege der Kinder sowie eine genügende
Erholung gewähren soll, müßte erheblich länger als 1!/, Stunde
sein und kann nach meinem Erachten bei der Verschiedenheit der Verhältnisse
durc< eine gleichlautende Vorschrift für alle Fabriken nicht festgesezt werden.
Es erscheint daher richtiger, die bestehende Vorschrift unver-
ändert zu belassen, zumal da den Frauen die verlängerte Mittags-
pause auf Antrag in der Regel anstandslos gewährt wird. Es wird
vielmehr den Arbeiterausschüssen und Krankenkassenvorständen zu überlassen
sein, die Wünsche der Arbeiter in bezug auf die Dauer der Mittagspause
zur Geltung zu bringen. Jc<h bin überzeugt, daß die meisten Arbeitgeber
solchen berechtigten Wünschen, wenn irgend möglich, nachkommen werden.
36) Ein Bedürfnis, den Arbeitsschluß an den Sonnabenden
und an den Vorabenden der Festtage auf eine frühere Stunde als
9!/, Uhr Nachmittags zu verlegen, ist im hiesigen Regierungs-
bezirke no< nicht hervorgetreten. Eine derartige Maßregel wäre in
erster Linie für die Frauen zweckmäßig, weil dieselben Gelegenheit haben , ihren
Haushalt in Ordnung. zu bringen und die Kinder zu pflegen. Für diejenigen,
welche ein Hauswesen nicht zu besorgen haben , würde die Maßregel jedoch sehr
wenig Wert haben und deswegen unangenehm empfunden werden, weil ein
Ausfall an Verdienst wohl unvermeidlich sein würde. Die Arbeitgeber
würden den Wert eines früheren Arbeitsschlusses für die Arbeiterinnen kaum
einsehen und eine solche gesezliche Bestimmung sehr unangenehm empfinden.
Für die hiesigen Verhältnisse erscheint eine derartige Maßregel jedenfalls
zur Zeit no< als verfrüht. Mit Rücksicht auf die einschneidende Wirkung,
welche die Herabsezung der Arbeitszeit von 11 auf 10 Stunden in einigen
Industriezweigen haben wird, erscheint es zweckmäßig, von der Festsezung
eines früheren Arbeitsschlusses an den Sonnabenden und Vorabenden der
Festtage zunächst no< abzusehen, um Beunruhigungen zu vermeiden.
Während man sich in den Kreisen der Jnudustriellen mit dem Gedanken
einer Herabsezung der Arbeitszeit auf 10 Stunden immer mehr vertraut
macht, hat bisher die Einsicht von der Zweckmäßigkeit eines freien
Nachmittags für die Arbeiterinnen weitere Kreise weder der
Arbeitgeber noch der Arbeiter durchdrungen.