392 I. Kraft und Stoff
tischen Theorie deduzierbar sein müßten, und stünden wir damit nicht berechtig
vor der unmöglich erfüllbaren Forderung einer vollständigen Induk- unter T«
tion, d. i. einer unendlichen Erfahrung? Was werden wir auf diese verstehe!
Kritik erwidern? Etwas sehr Einfaches, so einfach, daß es deshalb außerder
leicht zu übersehen ist. Dies nämlich, daß die Wärme für uns Sowenig
mit der Molekularbewegung fortan identisch ist per defini- kalischer
tionem. Wir messen die Temperatur tatsächlich doch stets mit dem die gerin
Wasserstoff- oder Luftthermometer. Damit messen wir nichts anderes von „bre
als die Molekularbewegung, denn diese erzeugt den ‚Druck‘ des ein- Sonst kt
geschlossenen Gases. Jedes andere Thermometer wird praktisch nach bekannte
dem Luftthermometer geeicht. Sollten wir aber auf irgendeine Weise der Phy:
zu der Überzeugung kommen — und das trifft wirklich zu —, daß in empfindı
bestimmten Temperaturbereichen, etwa bei sehr niedrigen Tempera- dungen
turen, die Angaben des Luftthermometers nicht mehr genau genug der sich sell
tatsächlichen Molekularenergie entsprechen, so hindert uns nichts, zu Dazu si
erklären, daß hier trotzdem die letztere als „Temperatur‘“ zu gelten wie die
habe und das benutzte Thermometer nicht genau genug diese „Tem- Man k
peratur‘“ angebe. Das ist reine Konventionssache, und dabei ist nichts der Phys
Wunderbares mehr, wenn wir uns nur einmal darüber klar sind, daß und Ane
wir uns mit unserem physikalischen Temperaturbegriff sowieso schon empfindı
von der unmittelbaren Sinneserfahrung des Wärmegefühls längst frei auf ein
gemacht haben und frei machen mußten. Die Frage, ob alle Erschei- Wärmeti
nungen der Wärme auf die Molekularbewegung sich zurückführen Grunde
lassen, ist gegenstandslos, wenn wir als Wärme einfach die Molekular- auf best
bewegung definieren. Kinen Sinn kann sie nur noch haben, wenn man in gewis
unter Wärme immer wieder das ursprüngliche Wärmegefühl verstehen sehen. .
will. Dann würde sie darauf hinauslaufen, ob dieses Wärmegefühl und der
stets in dem gleichen Zusammenhange mit den anderen Erscheinungen unverstä
steht wie die Molekularbewegung. Daß dies nicht der Fall ist, wußten beide aı
wir vorher schon (s. S. 62), denn eben deshalb haben wir ja die Thermo- der Re
meter ‚statt der Haut eingeführt, weil wir aus Verstandesschlüssen uns auf eir
sagen müssen, daß unser Wärmegefühl uns „täuscht‘“. Dahin gehört ist es i
z. B. auch, wenn uns Säuren oder Alkohol auf der Haut „brennen“. die Wi
Wir müssen aus den Thermometerangaben schließen, daß hier das eine rele
Wärmegefühl eintritt ohne Erhöhung der Molekulargeschwindigkeit sollte, w
und halten uns für berechtigt, dasselbe, obwohl es doch ohne Zweifel keit uns
vorhanden ist, als eine „„‚Sinnestäuschung‘“ zu erklären. Damit meinen sollte —
wir doch nichts anderes als dies, daß der Zustand, der normalerweise Standpu
sonst erfahrungsgemäß das Wärmegefühl veranlaßt, hier nicht vorliegt. einziges
Dieser Zustand ist die Erhöhung der Molekularenergie. Alles andere, noch ke
was außerdem etwa das Wärmegefühl veranlassen kann, einer Er
schließen wir per definitionem von dem physikalischen was als
Wärmebegriff einfach aus. Darin liegt keine größere oder un- steht, d