Full text: Ergebnisse und Probleme der Naturwissenschaften

110 I. Kraft und Stoff 
sondern um *!/, Grad davon entfernt stand, oder daß die später ent- 
deckten Elemente Gallium, Germanium und Skandium nicht in allen 
Punkten die Mendelejeffschen Voraussagen genau erfüllten. Wir 
haben hier wiederum ein besonders charakteristisches Beispiel für das 
schrittweise zu immer größerer Exaktheit vordringende Vorgehen der 
Physik und werden an anderer Stelle ausführlicher auf die erkenntnis- 
theoretische Bedeutung dieses Sachverhalts eingehen (s. unten 5. 2214f.). 
Ehe wir hier weiter fortfahren, ist es nötig, ein paar Errungenschaften mehr 
experimenteller Natur zu besprechen, die von Wichtigkeit für weiter unten zu 
Erörterndes sind und die zudem früher Gesagtes abzurunden und näher zu be- 
gründen bestimmt sind. Es gelang zuerst J. J. Thomson und Townsend, mit 
Hilfe direkter experimenteller Methoden den Wert des elektrischen Elementar- 
quantums und damit indirekt die Loschmidtsche Zahl zu ermitteln. Der Weg 
ist etwa folgender: Es ist schon lange bekannt, daß man die Luft beträchtlich 
unter den Taupunkt abkühlen kann, ohne daß die Kondensation des in ihr ent- 
haltenen Wasserdampfes zu den bekannten Nebeltröpfchen erfolgt, vorausgesetzt, 
daß die Luft völlig staubfrei ist, da die Staubteilchen als „Kondensationskerne‘“‘ 
dienen. Die Kondensation tritt jedoch trotzdem ein, wenn die Luft ionisiert ist, 
und zwar, wie Thomson zuerst durch besondere Versuche zeigte, zunächst an 
den negativen, dann bei stärkerer Unterkühlung auch an den positiven Ionen. 
Indem Thomson nun in ionisierter Luft die Nebeltröpfchen vermittels einer 
genial ausgedachten Methode zählte, zählte er gleichzeitig die Ionen, die ihnen als 
Kondensationskerne dienten, und konnte dann aus einer direkten Messung ihrer 
Gesamtladung die des einzelnen Ions (also e) durch einfache Division finden. — 
Neben diese Thomsonsche Zählung, die später mit verbesserten Hilfsmitteln 
noch öfter wiederholt ist und Werte von N angegeben hat, die vorzüglich mit 
dem sonst gefundenen Werte (27,2-1018) übereinstimmen, traten bald zwei weitere 
Bestimmungen von e (und damit N). Regener sowie Rutherford-Geiger ver- 
mochten die Anzahl der von einem kleinen Quantum radioaktiver Substanz in 
einer gewissen Zeit ausgeschleuderten x-Teilchen direkt zu bestimmen, indem sie 
von der gesamten Strahlung einen sehr kleinen, aber genau meßbaren Bruchteil 
durch ein winziges Loch in einem Bleiklotz gehen ließen und nun den Erfolg jedes 
einzelnen hindurchgelangenden Heliumgeschosses (x-Teilchens) beobachteten. (Die 
beiden Methoden unterscheiden sich nur in dem Empfangsapparat.) Alles bisher 
Dagewesene aber übertraf C. T. R. Wilson, dem es gelang, die Bahnen solcher 
einzelnen x- und ß-Teilchen geradezu zu photographieren. Er bediente sich dazu 
wieder der Kondensation des Wasserdampfes an den Ionen in der Luft. Jedes 
einzelne die Luft durchquerende x- bzw. ß-Teilchen ionisiert die Luftmoleküle 
(wahrscheinlich durch Zertrümmerung derselben), und an den erzeugten Ionen 
kondensiert sich evtl. der Wasserdampf. Wilsons Kunstgriff bestand darin, die 
zur Kondensation führende Abkühlung und die Beleuchtung im selben Moment 
auszuführen und so den augenblicklichen Zustand der Luft festzuhalten. Neben- 
stehende Tafel zeigt in Abb. 19 ein Radiumkorn, von dem nach allen Seiten die 
x-Strahlen ausgehen. Abb. 21 zeigt unten einen einzelnen x-Strahl, an dem das 
eigentümlich geknickte Ende auffällt, oben die Bahn eines f-Teilchens mit einer 
charakteristischen, perlschnurartigen Anordnung der Wassertröpfchen. Abb. 20 
endlich zeigt die Bahn eines schmalen Bündels Röntgenstrahlen in Luft (von 
unten nach oben). Man sieht deutlich, wie aus den Luftmolekülen die Elektronen 
(ß-Teilchen), sofort kenntlich an der charakteristischen Form der Bahn, nach 
allen Seiten herausfliegen. Angesichts dieses glänzenden KErgebnisses ist ein 
Zweifel an der Existenz aller dieser vordem doch recht hypothetischen Teilchen 
wohl kaum mehr möglich. 
Wir fügen hier noch hinzu, daß durch verwandte Methoden auch Millikan 
und Ehrenhaft zu neuen Bestimmungen für e (und N) gelangten. Die besten 
dabei von Millikan erhaltenen Werte (s. S. 23) ergaben e = 4,772 - 10-1 LE, 
d.h. N = 27,2 - 101, Abweichend von allen früheren Ergebnissen hatte Ehren- Bavink
	        
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