Full text: Ergebnisse und Probleme der Naturwissenschaften

212 I. Kraft und Stoff 
oben erwähnt, heute bereits in Menge vorhanden, vor allem hat Edding- 
ton seinen ganzen Scharfsinn auf dies Problem verwendet!®). Ich kann 
dem Leser nur dringend raten, sein hervorragendes Buch über ‚das 
Weltbild der (heutigen) Physik“ selbst zur Hand zu nehmen, muß 
aber leider hier darauf verzichten, mich näher damit zu beschäftigen. 
Hier sei nur noch darauf hingewiesen, wie vollständig der Apriorismus 
auch auf diesem Gebiete versagt hat. Für ihn existiert ein solches Problem 
nicht einmal, freilich ebensowenig für seinen Antipoden, den konsequenten 
empiristischen Positivismus. Nur der kritische Realismus, dem die 
ganze Naturerkenntnis ein Prozeß allmählicher Annäherung an einen 
vor dieser Erkenntnis bestehenden objektiven Sachverhalt ist, wird 
diesen Problemen wirklich gerecht. 
Wenn wir uns nun diese Auffassung des Kontingenzproblems klar- 
gemacht haben, so sind wir imstande, der neuen Naturauffassung eine 
sehr präzise und sie ganz eindeutig gegen die alte abgrenzende Formu- 
lierung zu geben!7°). Wir wollen uns zur Veranschaulichung die Welt für 
einen Augenblick räumlich nur zweidimensional denken (also etwa wie 
auf einer Photographie), die dritte unserer Anschauung verfügbare 
Dimension reservieren wir dann für die Zeit, also als t-Achse eines 
Koordinatensystems. Im Sinne der Relativitätstheorie wird dann jede 
Bewegung in unserem zweidimensionalen Felde (also etwa in einem Kino 
die Bewegungen auf der Bildwand) durch eine ‚Weltlinie‘“ in dem 
dreidimensionalen Gebiete dargestellt (vgl. S. 123f.). Wir können uns, 
anders gesagt, eine ungeheure Anzahl einzelner Filmaufnahmen hinter- 
einandergelegt denken und die Orte eines einzelnen Bildpunktes durch 
diesen ganzen Filmpack hindurch verbinden, diese Verbindung stellt 
dann die Weltlinie vor. Unsere alte klassische Auffassung der Natur- 
gesetzlichkeit bedeutet nun bei dieser Veranschaulichung, daß die 
Gesamtheit dieser Weltlinien in einem abgeschlossenen physikalischen 
System durch die „Naturgesetze‘* bestimmt sei, sobald zwei der Quer- 
schnitte gegeben sind. (Die gewöhnliche Forderung des gegebenen 
„Anfangszustandes‘, daß Lagen und Momentangeschwindig- 
keiten gegeben sein müssen, ordnet sich dieser allgemeineren unter, 
denn die zweite Forderung der gegebenen Momentangeschwindigkeiten 
kommt darauf hinaus, daß für einen zweiten unendlich nahe benach- 
barten. Zeitpunkt [dt Sekunden später] die neuen Lagen gegeben sind. 
Es ist aber nicht unbedingt notwendig, daß die beiden Zeitpunkte 
unendlich nahe beieinander liegen.) Dieser „Anfangszustand‘ ist nun, 
wie wir sahen, auf jeden Fall kontingent, und es ist schon an sich unter 
diesem Gesichtspunkte eine sonderbare Annahme, daß im strikten 
Gegensatze dazu die ganze Struktur der Welt (jenes Filmpackens) eine 
solche sein sollte, daß aus zwei solchen völlig kontingenten KEinzel- 
zuständen mit rationaler Notwendigkeit die gesamte Struktur der
	        
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