220 I. Kraft und Stoff
zu unterscheiden. Einen Begriff von Zeit hat auch der Wilde. Zeit- Te
messung kennt aber nur der Kulturmensch, und diese entwickelt sich gir
ganz allmählich aus jenem mit immer steigender Präzision. Ebenso ist St;
es mit der Temperatur. Bei dieser kommt es, wie wir oben sahen, auch ge:
innerhalb der physikalischen Begriffsbildung noch deutlich zu zwei die
aufeinanderfolgenden Stufen, so daß hier einschließlich der vorwissen- En
schaftlichen im ganzen drei Stufen zu unterscheiden sind. Die erste Ve
bildet der auf die einfache Sinnesempfindung gestützte Temperatur- St.
begriff jedes Menschen, die zweite die wissenschaftliche Thermometrie, he
soweit sie auf Grund gewisser Konventionen die Zuordnung der Emp- ve
findungsreihe zu einer bestimmten Skala von Zahlen erreicht. Die In
dritte beginnt erst mit der Frage nach dem, was eigentlich der Wärme lie)
zugrunde liegt, und die abschließende Definition in der Physik heißt stä
hier: Temperatur ist die durchschnittliche Bewegungsenergie der Mole- Be
küle. Der Konventionalismus ist entsprechend seiner Herkunft von nt
der reinen Mathematik geneigt, sowohl die frühere wie die spätere Stufe Da
zu ignorieren. In erster Hinsicht kommt ihm zugute, daß die Physik NL
in der Tat eine Menge neuer Begriffsbildungen enthält, die, unmittel- Ol
bar aus der Messung hervorgegangen, ohne sich auf direkte Sinnes- Te1
erfahrungen zu stützen, auf reiner Konvention zu beruhen scheinen.
Hierher gehören z.B. fast sämtliche Begriffe der Elektrizitätslehre, ble
weil wir ja für diese keine unmittelbare Empfindung haben. Trotzdem
ist es auch bei dieser nicht zutreffend, daß Begriffsbildung und Messung we
ein und dasselbe wären, wie Carnap behauptet. Der Begriff einer =
„elektrischen Ladung‘ als eines sonderbaren Etwas, das den gerie- ES
benen usw. Körpern irgendwie anhaftet oder innewohnt, wird gebildet,
ohne daß von irgendeiner auch noch so primitiven Zuordnung zu einer
Zahlenskala die Rede wäre. — Aber auch die dritte Stufe darf nicht
außer acht gelassen werden, wie das ebenfalls in der Carnapschen har
Erklärung geschieht. Auch dafür bietet die Elektrizitätslehre ein vor- rel
treffliches Beispiel in dem Begriff der Stromstärke. Nach konven- We
tionalistischer Auffassung hätte die Physik sich damit begnügen können Ta
und begnügen müssen, daß Ampere auf Grund der magnetischen Wir- Ge
kungen, Faraday auf Grund der elektrolytischen Wirkungen und in
Joule auf Grund der Wärmewirkungen eines Stromes diesem Zahlen- mi
skalen zuzuordnen lehrten, die leicht auch aufeinander zu beziehen waren. Sie
Tatsächlich ist aber die Stromstärke weder ein Galvanometerausschlag, po
noch eine Knallgas- oder Silbermenge, noch eine Hitzdrahtverlängerung, Kı
sondern alles drei sind nur Wirkungen des Stromes, an denen man seine HS
Größe messen kann, weil sie Funktionen von / sind. [I selbst aber ist Sin
ganz etwas anderes, nämlich die pro Sekunde den Querschnitt durch- die
fließende, Elektrizitätsmenge. Dies allein ist die der Sache entsprechende Fo
physikalische Definition der „Stromstärke“, Natürlich könnte man in