17. Der Erkenntnisprozeß in der Physik 221
| einem Lehrgang oder Lehrbuch, wenn man wollte, die ganze Elektrizitäts-
ZA lehre überhaupt mit der Tangentenbussole oder dem Amperemeter be-
% sich ginnen und dann umgekehrt die Elektrizitätsmenge als Produkt aus
80 15% Stromstärke und Zeit definieren, wie es in der Technik tatsächlich vielfach
© auch geschieht!’8). Indessen irrt der Konventionalist, wenn er meint, daß
Fa diese bloß formale Möglichkeit, das logische Gebäude auch an diesem
N Ende anzufangen, die erkenntnistheoretische Gleichwertigkeit dieses
erste Verfahrens mit der eben angeführten (sachgemäßen) Definition der
Un Stromstärke als Elektrizitätsmenge pro Sekunde garantiere. Wenn die
tie beiden Gleichungen / = Q/t und Q = It mathematisch auch gleich-
"Evi 7 wertig sind, erkenntnistheoretisch sind sie es darum noch lange nicht,
nn Die und zwar deshalb nicht, weil in dem ganzen System der Physik schließ-
Värme lich die Elektrizitätsmenge eine fundamentale Rolle spielt, die Strom-
heißt stärke dagegen immer nur eine abgeleitete. Es zeigt sich auch an diesem
Mile, Beispiel, daß der Konventionalismus und übrigens ebenso der Aprioris-
VON mus sich den Weg zum Verständnis der Physik gerade dadurch ver-
Stufe bauen, daß sie diese nach dem Maßstabe der Mathematik messen wollen.
by ik Nur der Realismus, der grundsätzlich den ganzen Erkenntnisprozeß
DIere von seinem Ziele her verstehen lehrt, wird dem tatsächlichen Verfah-
ES ren der Forschung überall ungezwungen gerecht.
N ehıe. Wir wenden uns nunmehr zu dem zweiten der oben angeführten Pro-
iz dem bleme, dem der Induktion, mit dem aufs engste, wie wir sogleich sehen
sung werden, ein uraltes Problem der Erkenntnistheorie zusammenhängt, das
einer im Mittelalter einmal eine große Rolle gespielt hat, das sog. Universalien-
. problem.
gerie-
bildet, b) Das Induktionsproblem
9 Alle sog. Naturgesetze beruhen auf der Beobachtung einzelner, sei
nicht es auch noch so vieler Fälle, während sie selber allgemein sein und des-
sehen halb unendlich viele Fälle umfassen wollen. Als Galilei seine Fall-
ON versuche zum ersten Male anstellte, beobachtete er zusammengehörige
DO Werte von Zeit, Geschwindigkeit und Weg. Diese, die man sich in einer
EU Tabelle geordnet denken kann, führten ihn dann zu den allgemeinen
;-Wir- Gesetzen v= a-t und s=+%a-*. Das gleiche geschieht noch heute
and in jedem entsprechenden Falle. Es entsteht hier zunächst die Frage,
Ahlen: mit welchem Rechte wir diese Verallgemeinerung vornehmen. Sie stellt
a sich mathematisch als eine Interpolation und evtl. auch Extra-
Chlag, polation beliebiger Zwischenwerte oder Außenwerte auf Grund einer
Ma Kurve oder Formel dar, die praktisch heute zumeist so geschieht, daß
ESS man die ‚Beobachtungspunkte‘“ in ein Koordinatensystem einträgt,
SE eine Kurve, so gut es geht, hindurchzieht und dann entweder mittels
harch: dieser direkt oder aber mittels einer aus der Kurvenform erschlossenen
En Formel etwaige gewünschte Zwischen- oder Außenwerte ermittelt. Mit