Full text: Ergebnisse und Probleme der Naturwissenschaften

332 III. Materie und Leben 
der einen Voraussetzung, daß das Bruchstück Zellen sowohl von der 
Oberseite wie von der Unterseite des Blattes enthält. Im Tierbereich u 
findet sich ein fabelhaftes Regenerationsvermögen u. a. bei den Strudel- Kiel 
würmern (Planarien), die bei Morgans Versuchen selbst bei Teilung  Absol 
in 72 Teile aus jedem Teilstück das vollständige Tier wieder erzeugten. 
Und es verdient besonders hervorgehoben zu werden, daß ähnlich 
starkes Regenerationsvermögen sogar auch schon manchen einzelligen 
Tieren zukommt. (Vgl. Abb. 54.) 
Die Regeneration erfolgt nun, das ist ein besonders beachtenswertes 
Ergebnis, keineswegs nur so, daß aus einem bestimmten Gewebe neue 
Zellen der gleichen Art hervorgehen, es gibt vielmehr viele sehr gut 
untersuchte Fälle, bei denen das Re- 
N 5 generat von Zellen geliefert wurde, 
. SZ die an sich zu völlig anderen Orga- 
@) EA 
WM nen gehören, ja die entwicklungs 
Ez geschichtlich vielleicht schon sehr 
M ) (76) früh sich von den Zellen desjenigen 
V f Organs getrennt haben, das regene- 
ER Gum riert wird. Der berühmteste Fall Abb. 
A fl 6 | / Nr dieser Art ist die Regeneration der 
6 ( | | x Augenlinse des Molchs. Das Auge 
wächst in der embryonalen Entwick- 
Abb. 54. Regeneration beim (einzel- lung aus zwei ganz verschiedenen 
ligen) Trompetentierchen (Stentor). Anteilen zusammen, deren einer, 
der sog. „Augenbecher‘“, vom Ge- 
hirn herstammend, die spätere Netzhaut, Aderhaut, Lederhaut und 
Regenbogenhaut liefert, während der andere, aus der Oberhaut in den 
Augenbecher sich einsenkend, die Hornhaut, die Linse und den Glas- 
körper liefert (Abb. 55). Bei Entfernung der Linse eines Molchs nun 
wird dieselbe nicht etwa von den entwicklungsgeschichtlich ihr zu- 
gehörigen Oberhautzellen her regeneriert, sondern von der Regen- 
bogenhaut her, also aus einem schon in sehr frühen Stadien der Em- 
bryonalentwicklung völlig differenten Gewebe. Noch weiter geht ein Abb. 3 
derartiges Verhalten bei gewissen Regenerationsprozessen an Regen- DE 
würmern, bei denen sogar Teile, die sich sonst aus zwei verschiedenen ae 
„Keimblättern‘ (Entoderm und Ektoderm) bilden, aus Zellschichten träge 
regeneriert werden, die nur einem dieser beiden angehören. In solchen 
Ergebnissen zeigt das Ganze eine Überlegenheit über die ein- daß 
zelnen Teile, die fast handgreiflich auf die Existenz alles regulierender : 
„Dominanten‘‘ oder „Entelechien‘“ hinzuweisen scheint. Und doch — ES 
wie bedenklich erscheint auch hier wieder das Sichberuhigen bei einer Si 
solchen „Annahme“, die doch schließlich nichts als ein asylum 1gn0- Kan 
rantiae ist. Entfernt man nämlich die Linse nicht ganz, sondern drängt on
	        
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