4. Problem der Vererbung 351
zellen, so daß von den erhaltenen vier Zellen drei ohne Plasma bleiben.
APPD . Diese drei degenerieren und werden ausgestoßen. Es ist besonders
LS kennzeichnend für den streng kausalen Charakter auch der biologischen
Vorgänge, daß die zweite Reifeteilung auch noch bei derjenigen Teil-
zelle der ersten Teilung auftritt, die kein Plasma mitbekommen hat
und also von vornherein zum Tode verurteilt ist, und dies sogar nach
erfolgter Befruchtung der Hauptzelle (Abb. 60, 5ff.). Diese Teilung
hat gar keinen Zweck mehr, erfolgt aber sozusagen aus Gewohnheit
doch noch. Doch das nebenher.
Durch die spätere Vereinigung einer Samenzelle mit einer Kizelle
(Befruchtung, Abb. 60, 4—9) erlangt die verschmolzene Zelle wieder
die normale Chromosomenzahl. Die menschlichen Körperzellen haben
beispielsweise sämtlich 48 Chromosomen, die Keimzellen dagegen nur
die Hälfte (s. jedoch unten), und ebenso ist es in allen anderen unter-
suchten Fällen. Eine Ausnahme bilden nur die Fälle der natürlichen
Parthenogenesis. Hier unterbleibt die Reduktionsteilung, so daß die
Tochterzelle die volle Chromosomenzahl erhält. Wie sich die Sache
bei künstlicher Parthenogenesis verhält, ist noch wenig geklärt.
Entwicklungsgeschichtlich kann dies Verhalten der höheren Organis-
men zurückgeführt werden auf einfachere Verhältnisse, wie sie von den
niedersten Lebewesen unter anderen Grünalgen und Schleimpilze
zeigen. Hier legen sich eine männliche und eine weibliche Zelle an-
einander, wodurch eine „Zygote““ (vereinigte Zelle) mit der doppelten
Chromosomenzahl entsteht. In dieser ordnen sich die Chromosomen
dann zu je zwei und zwei nebeneinander an, und es erfolgt dann in
zwei rasch aufeinanderfolgenden Schritten eine Teilung in vier Tochter-
zellen, die dann wieder das „haploide‘‘ Stadium (mit der einfachen
Chromosomenzahl) vorstellen. Aus dieser niederen Stufe kann man
sich die höhere hervorgehend denken, indem das „diploide‘“‘ Stadium
sich nicht mehr auf eine Zelle beschränkt, sondern zunächst auf Tausende
von. anderen Zellen ausgedehnt wird, die dann den vielzelligen Organis-
mus bilden.
Es ist nun so gut wie sicher, daß diese ganzen Vorgänge an
den Chromosomen in direkter Beziehung zu den Vorgängen der Ver-
erbung stehen. Um das zu verstehen, müssen wir jetzt zuerst einen
zweiten Komplex von Tatsachen kurz ins Auge fassen: die Ergebnisse
der neueren Bastardforschun g, die den Kernpunkt der ganzen Ver-
erbungswissenschaft bilden. Begründet ist diese von dem Augustinerabt
Gregor Mendel in Brünn (um 1865). Seine heute längst zu den klas-
sichen Schriften der Naturwissenschaft gerechneten Arbeiten wurden
zu seiner Zeit wenig oder kaum beachtet. Die Zeit war damals nicht
eil Nr. 1 reif dafür — die Arbeiten erschienen zudem in einem kleinen un-
N] EHER beachteten Organ, den Mitteilungen einer lokalen naturwissenschaft-
ochter-