414 III. Materie und Leben
mit dem unangemessenen Mittel wissenschaftlich klingender Begriffe
sich auszudrücken mühe). Es folgt vielmehr unseres Erachtens dies
daraus, daß die schlechte (d. h. inhaltsleere) Metaphysik durch
die bessere zu ersetzen ist. Eine solche schließt letzte allgemeinste
und oberste Begriffsbildungen wie Seele, Gott, Freiheit, Welt, Natur-
gesetz usw. keineswegs aus, sondern ein, und wird sich davor hüten, }
Probleme deshalb für sinnlos zu erklären, weil sie im Augenblick unlös- “
bar erscheinen. Es ist freilich recht gut möglich, daß z. B. das Körper-
Seele-Problem oder das Freiheitsproblem in der Form, wie wir sie zu
stellen pflegen, falsch gestellt und eben deshalb vorläufig unlösbar sind.
Daraus soll man aber nicht schließen, daß sie überhaupt nicht gestellt
werden dürfen. Sie müssen vielmehr gestellt werden, und wir sollen 5
uns alle Mühe geben, dahinter zu kommen, wie man sie vernünftiger- Se
weise richtig stellen muß. Dazu gehört Geduld und Zeit, beides leider >
Forderungen, die bei den von der Mathematik ausgehenden Positivisten di,
meist ebensowenig auf diesem Gebiet zu finden sind, wie bei ihren ge- Fı
schworenen Gegnern, den spekulativen Metaphysikern. Letztere wollen EC
seit den Tagen der Antike mit einem kühnen Schwung Lösungen En
vorwegnehmen, an denen noch Generationen zu tun haben werden, TC
erstere, die das Unsinnige dieser Bemühungen klar erkennen, verlangen Su
darum, daß alles ausgemerzt werden soll, was nicht in der streng defini- A
torischen Art der reinen Mathematik deduziert werden kann. Die Wahr- D '
heit liegt in der Mitte: die Philosophie wird auf keinem anderen Wege tin
weiter kommen als auf dem, den auch die Naturwissenschaft gehen En
muß: mutiges Vorwärtstasten in Form kühner Spekulation, aber fort- A
währende strenge Kontrolle desselben an der Welt der wirklichen Er- CI
fahrung. So sind wir hinter das Geheimnis der Struktur der Materie sc}
gekommen, so sind wir vielleicht heute auch nahe davor, das Geheimnis fre
des Lebens endlich richtig anzupacken, und nur so werden wir auch
solchen anscheinend unlösbaren Fragen wie dem psychophyischen Pro- heı
blem zuletzt auf den Leib rücken. doc
Betrachten wir im Sinne einer solchen „Metaphysik a posteriori‘“ die hin
heutige Biologie, so dürfte es klar sein, daß diese alles in allem genommen sell
einer „organischen‘‘ Weltauffassung im Sinne Goethes erheblich näher SON
steht, als es noch vor 30, ja vor 20 bis 10 Jahren erscheinen konnte, wo fası
man noch allgemein in der Maschine den Prototyp alles Weltgeschehens rag
sah. In den früheren Auflagen dieses Werkes habe ich an dieser Stelle hal
den Satz vertreten, daß der biologische Mechanismus an sich mit jeder cho
Weltauffassung, sowohl einer theistischen wie einer pantheistischen wie Zi
einer atheistischen verträglich, also nicht, wie man oft bei Freund und De
Feind geglaubt und gesagt hat, mit der letzteren identisch sei. Dieser Kos
Ansicht bin ich auch heute noch und möchte deshalb auch jetzt hervor- deı
heben, daß es insonderheit vom Standpunkte des christlichen Theismus Stı