Full text: Ergebnisse und Probleme der Naturwissenschaften

460 III. Materie und Leben 
im ersten Anfang bereits vorhandenen „Anlagen“ gewesen sei. Damit bei 
hebt sich aber die Abstammungslehre selbst auf, denn dann nu 
ist sie vollkommen zwecklos geworden. Was sie erklären sollte, war doch bei 
gerade (s. oben) einerseits die Übereinstimmung der verwandten Arten pre 
(durch gemeinsame Erbanlagen), andererseits die Divergenz (durch Va- ZU; 
riationen im einzelnen). Ist alles bereits vorherbestimmt, so kann man eb 
auch genau so gut den Menschen wie die Biene fix und fertig vom Himmel tri 
fallen lassen. Wozu braucht er dann noch den Umweg über die Urzelle, Ba 
das Wurm-, Fisch- usw. Stadium zu machen, wenn er doch von allem 
Anfang an bereits Mensch (bzw. Biene) und als solcher auch in jener we 
Verkleidung himmelweit von jedem anderen Wesen geschieden war, wie an; 
das neuerdings u. a. Dacqu&3) uns wieder einmal einreden will ? Rich- Nic 
tig ist an diesen Ideen so viel, daß die ältere Abstammungslehre geneigt licı 
war, die Divergenzstellen zumeist viel zu hoch anzusetzen, ja wohl gar Mm: 
lebende Arten oder Familien direkt voneinander abstammen zu lassen SO£ 
(z. B. den Menschen vom Affen). Eine genauere Untersuchung des Stamm- Pu 
baumproblems führt mit Notwendigkeit zu der Einsicht, daß die Auf- we 
spaltung ursprünglich einheitlicher Formen in heute verschiedene Arten nic 
in der Regel viel früher angesetzt werden muß. Man kann z. B. nicht Jei 
von den Reptilien zuerst (wie sich Haeckel das dachte) ein Ursäugetier has 
abstammen lassen, das sich dann in alle die verschiedenen Formen fen 
(Raubtiere, Nagetiere usw.) spaltete, sondern, wenn überhaupt hier ein au 
genetischer Zusammenhang besteht, so muß man annehmen, daß den deı 
einzelnen Gruppen der Säuger auch bereits bestimmte Gruppen der Rep- urs 
tilien als ihre Vorfahren zuzuordnen sind (beispielsweise hat Stein- pas 
mann%%) als Ahnherrn der Primaten das bereits im Perm bekannte fac 
„Metareptil‘“ Delphinognathus vorgeschlagen). Gegen solche Hypo- Av 
thesenbildungen ist selbstverständlich nichts einzuwenden, sie dürfen täl 
nur nicht zu der Absurdität übersteigert werden, daß man überhaupt ste 
keine Divergenzen mehr zulassen, sondern jede einzelne Linie für sich bis tio 
auf den ersten Anfang zurückführen will. Wenn man die Polyphylie SiC} 
soweit treibt, dann ist die ganze Abstammungslehre überflüssig 391). nic 
Daß wir im übrigen nicht daran denken, diesem ganzen Artbildungs- Ve 
prozeß die ‚„Vervollkommnungstendenz‘‘ abzuerkennen, ist nach dem kaı 
früher über die Realität der teleologischen Seite der Biologie Gesagten ein 
wohl selbstverständlich und braucht deshalb hier nicht noch einmal be- fril 
gründet zu werden. In diesem Sinne könnten wir sogar der Dacque- deı 
schen These, daß das ganze Tierreich nur eine Abspaltung aus der Ent- ger 
wicklung gewesen sei, die von Anfang an den Menschen zum Ziel hatte, vo? 
zustimmen. Wehren müssen wir uns nur auch in diesem Zusammenhange un 
gegen den Versuch, eine solche Teleologie an die Stelle der Ursachen- Sei 
forschung zu setzen, welchen Versuch man aus Dacque&s Werken un- we 
zweifelhaft herauslesen wird, selbst dann, wenn ihr Verfasser das nicht deı
	        
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