2. Natur und Kultur 487
kommt annehmen will, daß durch eine radikale „Mutation‘‘, die in diesem Falle
mensch- nichts anderes als ein realer zeitlicher „Schöpfungsakt‘“ (mit allen Be-
len, daß denken eines solchen) wäre, plötzlich der Mensch fix und fertig aus dem
um aus „Herrentier‘‘ entstand. Wir haben weiter Grund anzunehmen, daß die
machen. wesentlichste Rolle bei diesem Prozeß der Ausbildung der Sprache zufiel.
eichnet. Das begriffliche Denken hat sich nicht vor der Sprache und
nz ähn- auch nicht nach ihr, sondern mit ihr zugleich entwickelt.
; andere Denken ist geradezu ein innerliches Sprechen und wird auch nachweis-
afassen- bar stets von einem solchen begleitet, ja die meisten Menschen denken
zu An- stets so laut, daß wahrnehmbare Bewegungen dabei entstehen, wie
vicklung wir unten in einem anderen Zusammenhange noch sehen werden“?1),
in Wort Die Anhänger eines zeitlichen „Schöpfungsaktes‘““ pflegen hier einzu-
lagegen, werfen, daß aber doch das Denken da sein mußte, ehe die Sprache als
h. dieses sein Werkzeug entstehen konnte. Die Antwort heißt: solange es noch
n‘““ des- keine Sprache gab, kann es schlechterdings kein Denken gegeben haben,
denn man kann nur in einer Sprache denken. Das gleiche gilt aber
„Geist“ umgekehrt, wie wir schon oben bei der Betrachtung der Tiersprache
Selbst- sahen, auch. Folglich muß zeitlich genommen notwendig beides gleich-
esitzen, zeitig entstanden sein. Logisch angesehen kann man natürlich mit
ansehen einigem Recht dem Denken die Priorität zuerkennen, darf aber diese
erst in rein logische Priorität nicht ins Zeitliche verschieben. Überdies dürfen
sein. das wir nicht vergessen, daß die Sprache allein es auch nicht gemacht hat,
r auch, daß vielmehr der Werkzeuggebrauch, d. h. das bewußt gewordene Han-
nn end- deln, den gleichen Anteil an der Menschenwerdung hat wie das bewußt
i beson- gewordene Denken.
. bloßen Wenn wir uns unter Berücksichtigung des letzteren Umstandes nun
nn. aber fragen, wie es wohl bei der Entstehung der Sprache und damit des ab-
zleichen strakten Denkens zugegangen sein mag, so stehen wir abermals vor
aus sol- einem vollständigen Ignoramus und vermutlich auch Ignorabimus.
lich er- Denn es ist der Natur der Sache nach klar, daß wir gerade über diese
Mensch Anfänge niemals etwas Sicheres direkt erfahren können, weil die Schrift
diesem sicherlich eine viel spätere Erfindung als die Sprache ist, diese aber als
dürfen, solche naturgemäß kein Denkmal hinterläßt. Wir haben keine Ahnung
ler Ent- davon, ob und wie der Heidelberger oder Piltdowner Mensch gesprochen
reinzelt hat. Die Rückschlüsse, die man etwa aus der Ausbildung der Muskel-
nzelnen ansatzstellen an den Kieferknochen zu ziehen sucht, sind und bleiben
gemein- unsichere Hypothesen. Einiges Licht können wir höchstens aus der sorg-
die un- fältigen Untersuchung der gegenwärtigen Primitiven gewinnen. Diese
chbruch zeigt uns, daß bei solchen Gebärdensprache in erheblich weiterem
ı Laufe Umfange verwendet wird als bei uns, und es ist klar, daß es an sich
und. auf gleichgültig ist, ob für einen gewissen Begriff, wie z. B. Wasser oder
gestellt Feinde oder Büffel, ein optisches oder ein akustisches Zeichen verwendet
ar nicht wird. So dürfen wir vermuten, daß zuerst wohl nur gewisse lebens-