488 IV. Natur und Mensch
wichtige konkrete Dinge, wie etwa die eben genannten, solche Zeichen
erhielten, die der eine dem anderen zuwinkte oder zurief, wobei wahr-
scheinlich auf dem optischen Gebiete die bildliche Darstellung, auf
dem. akustischen das nachahmende Geräusch (z, B. das „Mau“ für
die Katze) den Anfang gemacht haben werden. Dieser Prozeß muß
sehr lange Zeit in Anspruch genommen haben, es werden nur ganz all-
mählich neue derartige Zeichen hinzugekommen sein. Der ganze Pro-
zeß der Kulturentwicklung zeigt ja überall unzweifelhaft den typischen
Verlauf einer Exponentialfunktion: zuerst geht es ganz langsam, dann,
je mehr schon da ist, um so rascher, schließlich geht es im Automobil-
tempo. Der Grund liegt natürlich darin, daß jeder Fortschritt auf dem
einen Gebiete wieder die anderen Gebiete befruchtet. Wenn wir aus
der uns übersehbaren geschichtlichen und vorgeschichtlichen Zeit diese
Funktion nach rückwärts extrapolieren, so können wir eine Vorstellung
davon gewinnen, wie langsam es im Anfang gegangen sein muß. Und
dies wird insonderheit auch für die Sprache und somit das bewußte
Denken gelten.
Daß die Anfänge der Technik in der Erfindung der ersten ein-
fachen Werkzeuge, etwa Knüttel oder Feuersteine, liegen, ist wohl so
einleuchtend, daß es nicht weiter begründet zu werden braucht. Die
wichtigste Erfindung, das Feuer, ist sicherlich erst später hinzugekom-
men, dann jedoch der Ausgangspunkt für die ganze weitere Entwick-
lung geworden. Eine der wichtigsten Stationen auf dem weiteren Wege
ist die Erfindung der ersten einfachen Gefäße gewesen, die von der
Benutzung naturgegebener Hohlräume wie z. B. Kokosnußschalen oder
Tierschädel schließlich zum selbsthergestellten Tongefäß und Korb ge-
führt hat. Wann und wo diese Erfindungen gemacht worden sind, ent-
zieht sich unserer Kenntnis. Sie sind in der späteren Steinzeit einfach da
und werden alsbald auch zu Trägern weiterer kultureller, vor allem
künstlerischer Fortschritte. An den Erzeugnissen der Technik und der
Kunst ist dann auch am deutlichsten der Vorgang zu verfolgen, den
Wundt als die „Heterogonie der Zwecke‘ bezeichnet hat: die all-
mähliche Loslösung des technischen bzw. ästhetischen Ideals von der
unmittelbaren Zweckmäßigkeit. Schon in den ältesten Kulturen, die
überhaupt Tongefäße aufweisen, finden wir an diesen eine einfache Orna-
mentik, die unzweifelhaft nur dem ästhetischen Bedürfnis diente und
das gleiche gilt für fast alle Werkzeuge der vorgeschichtlichen Mensch-
heit überhaupt. Die Durchführung des technischen Ideals hingegen,
das Zweckmäßige eben um des Zweckmäßigen willen zu suchen, ist
neueren Datums und ganz klar eigentlich erst in der modernen abend-
ländischen Kulturwelt erfaßt. Der heutige Techniker baut seine Ma-
schinen, Gebäude usw. auch dann so zweckmäßig wie möglich, wenn
ihn nicht ein unmittelbares Bedürfnis dazu treibt. Es geht ihm gegen
0