Full text: Ergebnisse und Probleme der Naturwissenschaften

4. Erbanlage und Kultur 517 
chtig ge- erkenntnistheoretischen Erörterung. In der Mathematik und großen- 
>gativem teils auch in der theoretischen Physik, die ja beide den übrigen Wissen- 
schaften zumeist als Muster exakter Begriffs- und Urteilsbildung vor- 
‚ein, und schweben, haben wir es mit scharf definierten Begriffen zu tun, d.h. 
; Kultur- mit solchen, deren Umfang und Inhalt genau angegeben werden kann 
; Wesens und bei denen man daher auch in jedem einzelnen Falle genau angeben 
Male an- kann, ob der betreffende Einzelfall noch in den Umfang des Begriffs 
; hierhin hineinfällt oder nicht. In den übrigen Wissenschaften dagegen, vor allen 
mit den sämtlichen „‚Existentialwissenschaften“ (s. oben), welche es mit der Fülle 
des wirklichen Lebens zu tun haben, kommt man mit der Forderung, nur 
solche absolut scharfe Begriffsbildungen zuzulassen, nicht durch, und 
. zwar nicht nur, wie man zumeist denkt, vorläufig nicht, sondern ganz 
DON glie- grundsätzlich nicht, wie wir sogleich näher sehen werden. Es ist ein fun- 
die Ver- damentaler Irrtum, daß es dann eben deshalb auch in diesen anderen 
Gruppen Wissenschaften keine wirkliche Erkenntnis gäbe, denn „in jeder Wissen- 
anderen schaft sei nur so viel eigentliche Wissenschaft, als Mathematik darin 
r Völker anzutreffen sei‘. Kant hat in seinen gesamten Werken keinen 
en. Erb- verkehrteren Satz als diesen geschrieben“?). In Wahrheit gibt 
mannten es Erkenntnis in der gesamten Realwissenschaft überhaupt nur dadurch, 
x Kuge- daß man mit approximativen Begriffen arbeitet, d.h. mit Begriffen, 
braucht, deren Umfang nur innerhalb gewisser Grenzen angenähert bestimmbar 
ebraucht ist. Ein sehr einfaches und schlagendes Beispiel bietet die Astronomie. 
nn Neger Wenn der Astronom auf einer Himmelsphotographie an einer Stelle eine 
rend die sehr große Menge von Sternen dichtgedrängt zusammenstehen sieht, viel- 
ert. Zu- leicht in der Mitte dieser Stelle so dicht, daß sie sich gar nicht einzeln 
unterscheiden lassen, so nennt er das einen Sternhaufen (vgl. S. 268) 
und ist überzeugt, daß es sich dabei keineswegs nur um Sterne handelt, 
trittenen deren Bilder zufällig perspektivisch voreinander stehen, sondern um 
ganz Zu ein reales Gebilde, das als eine viele Sterne umfassende Einheit be- 
Lage als handelt werden darf und muß. Wir haben oben gesehen, welche wich- 
tigen weiteren Schlüsse sich auf solche Beobachtungen aufbauen lassen. 
wandfrei Trotzdem ist nun in diesem Falle keineswegs mit absoluter Schärfe be- 
ppe von stimmbar, welche einzelnen Sterne zu dem fraglichen Sternhaufen ge- 
n) Merk- hören. Der einzelne, besonders der am Rande stehende Stern kann auch 
nd. diese durch bloßen perspektivischen Zufall dahin geraten sein. Dies hindert 
nd z. B. aber keinen vernünftigen Menschen, trotzdem in dem Haufen ein reales 
vuf”“, da- Gebilde zu erkennen. Genau das nämliche gilt nun in den Realwissen- 
;ntotten, schaften und ganz besonders auch in der Biologie überall. Die Begriffe 
charak- Pflanze und Tier z. B. sind ebensowenig mit absoluter Schärfe bestimm- 
ı) Nach- bar, es ist bekannt, daß im Gebiet der niederen Gruppen beider Reiche 
(bei den Einzellern vor allem) die Grenzen zu fließen anfangen. Nichts- 
heit den destoweniger gibt es keine verkehrtere erkenntnistheoretische Phrase 
° kurzen als die, daß demnach solche Begriffe bloße denkökonomische Hilfs-
	        
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