Full text: Ergebnisse und Probleme der Naturwissenschaften

Da IV. Natur und Mensch 
gleich den nationalen Unterschied zu merken. Das ändert indes am 
Inhalt gar nichts und daher auch nichts an der Weiterentwicklung der 
Physik. Aus demselben Grunde ist es reiner Unsinn, wenn man etwa 
versucht, den relativen Stillstand der Physik nach Maxwell mit ökono- 
mischen Verhältnissen in den europäischen Ländern in Verbindung zu 
bringen. Dieser Stillstand hatte in der Hauptsache ebenfalls rein innere 
Gründe, man mußte sozusagen erst eine Verdauungspause eintreten 
lassen, ehe man sich an Neues wagen konnte. Wir lehnen also die Marx - 
sche Lehre, daß alle ideellen Kulturgüter lediglich Erzeugnisse bzw. 
Nebenprodukte ökonomischer Entwicklungen seien, völlig ab. Ihre 
wahren Triebkräfte liegen stets in ihnen selbst, zum wenigsten gilt dies, 
sobald sie eine gewisse Höhe bereits erreicht haben. Eben das ist die 
obengenannte Autonomie der Kulturentwicklung, die neue ‚‚Emer- 
gente‘ gegenüber dem bloß Biologischen der untermenschlichen Natur. 
So klar wir dies erkennen und festhalten wollen, so klar wollen wir aber 
auch betonen, daß es ein fundamentaler Irrtum ist, wenn man nun darauf- 
hin glaubt, daß diese Kulturgüter von selbst sich auch ihre menschlichen 
Träger und Erzeuger schafften, daß also z. B., wenn die wissenschaft- 
liche, die religiöse, die künstlerische, die staatliche, die technische usw. 
Entwicklung, auf einem bestimmten Punkte angekommen, ein neues 
Stadium herausforderte, dann eo ipso auch immer die Menschen da sein, 
ja durch die voraufgegangene Entwicklung selbst erzeugt sein würden, 
die diesen neuen Schritt vollziehen könnten. Die kulturelle Entwicklung 
mag autonom, d. h. aus eigenen, nur ihr immanenten Gesetzen, bestim- 
men können, was im gegebenen Augenblick geschehen muß oder müßte. 
Daß es dann aber wirklich kommt, kann sie nun und nimmermehr 
garantieren. Wenn in einem Volk mathematische Begabungen nicht in 
nennenswertem Maße vorhanden sind, so wird es keine Mathematik 
produzieren und wenn zehnmal seine Lage dies als sehr wünschenswert 
erscheinen ließe. Wie selbst der eingeschworenste Vitalist nicht wird be- 
haupten wollen, daß die „„Entelechie‘‘ imstande sei, nicht nur die physi- 
kalisch-chemischen Vorgänge im Organismus zu leiten, sondern das Ma- 
terial derselben sogar zu schaffen 45), vielmehr jeder zugeben wird, daß 
eine Pflanze nur da wachsen kann, wo die nötigen Nährstoffe, Licht usw. 
in der dieser besonderen Art zuträglichen Mischung vorhanden sind, so 
müssen wir, eine Stufe höher hinauf, auch erkennen, daß Kulturen ihre 
eigenen Träger nicht schaffen, sondern nur dirigieren können und daß 
daher, wer diese Träger verkommen läßt, unweigerlich und unwiederbring- 
lich damit auch die Kultur selbst der Vernichtung preisgibt. Unser Ver- 
gleich zeigt aber auch noch dies, daß ebenso wie nicht alle Pflanzen auf 
jedem Boden gedeihen, so auch nicht alle Seiten der Kultur bei jeder 
Menschenrasse eine Stätte finden werden; ja daß es auch in diesem über- 
tragenen Sinne Wüstenboden und fruchtbaren Boden für Kulturen gibt. 
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