530 IV. Natur und Mensch
des historischen Ablaufs — auf diese kurze Formel 1äßt sich ihre Rolle
vielleicht am ehesten bringen. Darum ist es dann aber auch eine höchst be-
denkliche Erscheinung im Völkerleben, wenn diese notwendige Vorbedin-
gung jeder eigenständigen Kulturleistung ins Wanken gerät. Die Geschichte
selbst zeigt, daß dies schon oftmals der Anfang vom Ende gewesen ist.
Die praktischen Konsequenzen aus dieser Einsicht zu ziehen, können
wir füglich dem Leser überlassen, wollen jedoch nicht verfehlen zu be-
merken, daß die Art, wie sie vielfach in den politischen Tageskampf gezogen
werden, nicht dazu angetan ist, einer an sich notwendigen und dringen-
den Forderung Freunde zu verschaffen. Durch blinden Eifer wird hier
mehr geschadet als genützt; man sollte immer damit rechnen, daß
biologisches Denken — nicht zum wenigsten infolge unserer auf diesem
Gebiete völlig versagenden Schulbildung — bis heute nur in kleinen
Kreisen zur Gewohnheit geworden ist. Dazu kommt, daß infolge der
nun einmal in Deutschland ebenso wie den anderen europäischen Kul-
turländern vorliegenden allgemeinen Rassenmischung es keinesfalls
mehr möglich ist, das Urteil über kulturelle Höher- oder Minderwertig-
keit der einzelnen oder ganzer Volksteile noch irgendwie vom anthro-
pologischen Typus abhängig zu machen. (Das ist ganz kürzlich auch
durch Testprüfungen 463) an zahlreichen Schulkindern verschiedenrassiger
Bezirke wie Ostfriesland, Hessen, Oberpfalz direkt bestätigt, bei denen
sich keinerlei Intelligenzunterschiede wahrnehmen ließen.) Die nicht
nordisch aussehenden Bevölkerungsanteile in unserem Volke fühlen
sich deshalb mit einem gewissen Recht gekränkt, wenn manche Ver-
fechter des „nordischen Gedankens‘“ so tun, als ob nur langschädlige,
schlankwüchsige, blondhaarige und blauäugige Deutsche etwas wert
wären. Man hat in diesem Sinne sogar von einer „neuen Mainlinie“‘
gesprochen, die aufgerichtet werden solle. Wenn das nun auch nach der
anderen Seite übertrieben ist, da kein ernsthafter Verfechter der nor-
dischen Bewegung (auch Günther nicht, gegen den sich der Wider-
spruch hauptsächlich richtet) etwas Derartiges beabsichtigt hat, so
scheint es aus allen diesen Gründen dem Verfasser doch (ebenso wie
Lenz und zahlreichen anderen Autoritäten auf diesem Gebiete) rich-
tiger zu sein, daß man — zum wenigsten vorläufig — das anthropo-
logische Moment lieber ganz zurückstellen und alle Bemühungen auf das
wertvolle Erbgut als solches konzentrieren sollte, gleichgültig wie
die Menschen aussehen, die sich als Träger desselben durch ihre Kultur-
leistungen erweisen. Damit ständen wir dann aber nicht mehr im Gebiet
der eigentlichen Rassenlehre, sondern in dem der sog.
b) Rassenhygiene oder Eugenik*““)
Das letztere Wort ist heute vorzuziehen, da das erstere nun einmal
den vielen unsympathischen anthropologischen Beigeschmack hat.