Full text: Ergebnisse und Probleme der Naturwissenschaften

544 IV. Natur und Mensch 
auseinandergesetzt habe, so will ich in dieser neuen Auflage die in der 
vorigen enthaltene summarische Kritik auch noch weglassen, um Raum 
zu gewinnen, und will nur kurz bemerken: es handelt sich um die Über- 
tragung einer biologischen Analogie vom individuellen auf das Völker- 
leben, deren Berechtigung, da es eben eine bloße Analogie ist, sorgfältig 
nachgeprüft werden muß. Gegen diese Übertragung spricht nun aber 
erstens, daß die Anzahl der uns ausreichend bekannten kulturgeschicht- 
lichen Entwicklungsprozesse viel zu klein ist, um überhaupt von „Ge- 
setzen‘ sprechen zu dürfen. Alles Regelbilden setzt zuerst einmal eine 
genügend große Zahl von Einzelfällen voraus (s. oben). Zum zweiten 
stellt unsere Kultur einen Sonderfall vor, wie er noch niemals auch nur 
angenähert dagewesen ist a) weil sie räumlich unbeschränkt ist, b) weil 
sie (in der Kulturwissenschaft und den fraglichen Theorien selbst) alle 
anderen fremden Kulturen potentiell in sich beherbergt, c) weil zum 
erstenmal in der Geschichte die europäischen Kulturvölker dank der 
modernen Biologie in der Lage sind, die wirklichen Ursachen des Kultur- 
verfalls in der erblichen Degeneration klar zu durchschauen. Und 
drittens endlich zeigt eine genauere Betrachtung leicht, daß zwischen 
dem Leben, Altern und Sterben der Individuen einerseits, der Kulturen 
bzw. Völker andererseits doch so tiefgreifende Unterschiede bestehen, 
daß schon deshalb die einfache Übertragung von höchst zweifelhaftem 
Werte ist. — So kann ich insgesamt nur sagen, daß es mir bei aller Hoch- 
achtung vor der fabelhaften Leistung dieser Autoren, besonders Pipers, 
richtiger erschiene, wenn man die Biologie da anwendete, wo sie wirklich 
hingehört: nämlich in die Untersuchung der tatsächlichen Ursachen des 
Kulturverfalls. Es würde dann sofort klar, daß, abgesehen von den 
Kulturen, die sozusagen eines gewaltsamen Todes gestorben sind (wie die 
der Inkas oder die der Mexikaner infolge des Spaniereinfalls — und. diese 
dürften sogar die Mehrzahl bilden) die rassische Degeneration überall ' 
der Anfang vom Ende gewesen. ist. } 
Es bleibt uns nun, nachdem wir so die biologischen Bedingungen der 
Kultur kurz gewürdigt haben, die umgekehrte Aufgabe, die Einwirkung 
des Kulturmenschen auf die Natur einer kurzen Betrachtung zu unter- 
ziehen. Diese Aufgabe zerfällt naturgemäß wiederum in zwei Teile, 
wir haben es einerseits mit der anorganischen, andererseits mit der 
organischen Natur dabei zu tun. Die erste führt uns zu dem Kapitel der 
5. Philosophie der Technik 4%!) 
die zweite zu dem Thema des „Naturschutzes‘‘ und alles dessen, was da- ; 
mit zusammenhängt. Von diesem wird unten die Rede sein. 
Andie Spitze unserer Erörterungen über die Technik stellen wir den Satz: 
Die Technik ist nicht, wie man zumeist noch heute glaubt, ' 
nur „angewandte Naturwissenschaft‘“ (Physik und Chemie),
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.