SE IV. Natur und Mensch
tungen ermöglichte Freizügigkeit und die Möglichkeit, jederzeit mit
Angehörigen und Freunden an anderen Orten zusammenkommen zu
können; die durch unser Nachrichtenwesen garantierte Möglichkeit,
eben dieselben uns verbundenen Menschen mit uns in fortwährendem
Gedankenaustausch zu halten und ihnen gegebenenfalls auch einmal
sehr rasch eine Nachricht zukommen zu lassen; weiter die Unter-
drückung der furchtbaren Volksseuchen, wie Pest und Cholera, die
schmerzlose Ausführung chirurgischer Operationen u. a. dgl. Es geht
den meisten Menschen mit diesen Dingen wie mit uneigennützigen
hilfsbereiten Freunden: solange man sie hat, denkt man nicht an sie.
Erst wenn sie einem einmal fehlen, vermißt man sie.
Alles in allem ist es also ein gewaltiges Pluskonto, das uns die Technik
als Gegenrechnung gegen die oben erwähnten Beschuldigungen vorlegen
kann. Und dazu kommt nun noch der Hauptgegeneinwand: die oben
erörterten beklagenswerten Folgen der Industriealisierung
unseres Lebens sind ja doch zum weitaus größten Teile gar
nicht die direkte Schuld der Technik selbst, sondern der
wirtschaftlichen Entwicklungen, die sich an gewisse tech-
nische Errungenschaften angeknüpft haben. Es wäre, zum
wenigstens in der Theorie, immer noch denkbar gewesen, daß weit-
sichtige Staatslenker diese Folgen abgewendet hätten, indem sie die
wirtschaftliche und politische Entwicklung beizeiten in die richtigen
Bahnen lenkten, ohne daß deshalb die fraglichen Erfindungen ungenutzt
zu bleiben brauchten. An dieser Stelle müssen freilich zuungunsten
der Technik zweierlei Einschränkungen gemacht werden. Man kann
nicht von allen unangenehmen Seiten des modernen technischen Arbeits-
Prozesses sagen, daß sie lediglich durch falsche wirtschaftliche und soziale
Organisation verursacht seien. Manches liegt vielmehr wirklich an dem
Prozeß als solchem. So stellt schon die Grundlage unserer ganzen Tech-
nik, die Förderung der Steinkohle, einen Arbeitsprozeß dar, der auf alle
Fälle, auch mit den neuesten Hilfsmitteln durchgeführt, keineswegs
eine angenehme Art der Beschäftigung ist und den selber auszuführen
sich sehr wahrscheinlich die große Mehrzahl derer erheblich weigern
würden, die den „Fortschritt“ nicht genug loben können. Ebenso aber
gibt es auch weiterhin in unseren Arbeitsprozessen Stellen genug; wo es
nun einmal ohne Gefährdung, ja auch Schädigung der Arbeitenden nicht
abgeht, man braucht nur an die Schwefelsäurefabrik, die Kokerei usw.
zu denken. Dies ist also die eine Einschränkung, die wir machen müssen.
Und die andere ist die Antwort auf das hier meist von technikfreund-
licher Seite angeführte Gegenargument: die fraglichen Erscheinungen
bewiesen eben nur, daß der Ersatz der menschlichen Arbeitskraft durch
die Maschine noch nicht weit genug gediehen sei, denn alle solche Arbei-
ten müsse eben die Maschine dem Menschen abnehmen, Die Antwort
NN
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