A IV. Natur und Mensch
recht des Menschen vertreten möchten, wenn man auch von vielen
Seiten her starke Bedenken und Abneigungen gegen solche Bewegungen
wie die Naturschutzvereine, die Antivivisektionisten, die Vegetarianer
usf. hegt, da man — teilweise mit Recht — hier Übertreibungen und Fa-
natismus fürchtet 48). Ein Verfahren wie das, welches die amerikanischen
Jäger seinerzeit gegen die unermeßlichen Bisonherden angewendet haben,
die lediglich um ihrer Zungen willen in wenigen Jahrzehnten ausgerottet
wurden, wird heute wohl auf der ganzen Welt einstimmig verurteilt, wo-
bei freilich sehr oft weniger der moralische als der ökonomische Gesichts-
punkt maßgeblich sein mag.
Eben diese letztere Bemerkung führt uns nun zu der hier eigentlich
entscheidenden Frage, woher denn letzten Endes die heute so allgemein
sich durchsetzende Forderung nach Naturschutz ihre Berechtigung
nimmt. Es geht dieser Forderung und den sie vertretenden Kreisen so,
wie es sehr häufig ethischen und religiösen Bewegungen geht: sie ent-
stehen spontan aus zunächst mehr gefühlten als gewußten Motiven
heraus und sind sich vor allem meist ganz unklar über ihre letzten welt-
anschaulichen Hintergründe. Unsere Naturforscherkreise, die — glück-
licherweise — sich heute so warm für Naturschutz aller Art ins Zeug
legen, merken denn auch nicht, daß sie, da es sich hier nun einmal um
Werturteile handelt, damit notwendig aus ihrem eigentlichen Kreise
heraustreten und sich bereits auf das ethisch religiöse Gebiet begeben
haben. Sie pflegen sich zumeist einzureden, daß ihre Forderungen die
selbstverständliche Folgerung aus der naturwissenschaftlichen Erkennt-
nis als solcher wären. Daß dies falsch ist, ist leicht einzusehen. Was
beweist denn diese naturwissenschaftliche Erkenntnis, rein als solche
genommen? Doch nur dies, daß es eine unendliche Fülle von Lebens-
formen (und auch von anorganischen ‚,Gestalten‘‘) auf der Erde gibt,
daß der Mensch in dieser Reihe erst das letzte und allerdings besonders
hoch und ganz eigenartig (nämlich als ‚‚Gehirntier‘“) entwickelte Glied
ist, und vielleicht auch weiter, daß es ein Irrtum war, wenn frühere
Zeiten naiv glaubten, die ganze Schöpfung ohne weiteres auf den Men-
schen beziehen zu können. Es ist nach allem, was wir heute übersehen,
absurd, sich wie‘ die Alten vorzustellen, daß diese ganze ungeheure
Schöpfung um des Menschen willen allein geschaffen sei (vgl. auch
oben S. 274). Das gilt nicht nur mit Rücksicht auf astronomische Weiten,
sondern auch schon im Hinblick auf die irdische Welt, speziell auch auf
die vormenschliche Entwicklung. Allein es ist, wie schon gesagt, ein
Irrtum, wenn man nun meint, hiermit sei die Forderung des Natur-
schutzes bereits ausreichend begründet. Wir können auf diese Weise
bestenfalls einsehen, daß innerhalb des weiter oben erörterten teleolo-
gischen Zusammenhangs der ganzen Natur, den wir als solchen rein
theoretisch ganz ebenso wie einen kausalen. Zusammenhang erfassen
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