560 IV. Natur und Mensch
erblicken muß, wobei man über die Art und Weise, wie das geschieht,
dann freilich noch sehr verschiedener Meinung sein kann. Für welche
Seite sich der Verfasser dieses Buches entscheidet, bedarf keiner weiteren
Erörterung. Wir werden unten noch ausführlicher zum Schluß auf das
ganze hier liegende Wertproblem, das tiefste Problem aller Philosophie
überhaupt, zurückkommen.
Stellen wir uns aber nun einmal auf den Standpunkt des ‚‚Glaubens‘“ ;
(nicht im kirchlich dogmatischen Sinne des Wortes, sondern in dem eben
angeführten), so wird es dann klar, woher auch der Naturschutz im
letzten Grunde sein Recht nimmt. Wenn wir die ganze Welt als Tat }
einer Urvernunft und eines Urwillens betrachten und uns selbst in diesen
Riesenprozeß eingegliedert erkennen, so entsteht unmittelbar das Be-
wußtsein unserer Verantwortung gegen diesen letzten Urheber und seine
Ziele, und wir fühlen uns verpflichtet, in diesem Sinne auch all unser
naturwissenschaftliches und geschichtliches Wissen zu verwerten, denn
in jeder Erkenntnis zeigt dann Gott (um bei der üblichen religiösen Ter-
minologie zu bleiben) ein Stückchen von seinem Plane und legt dem Er-
kennenden damit ein Stückchen Pflicht auf. Jetzt, wo ein oberster Wert,
nämlich der, daß Gottes Wille geschehe, feststeht, gewinnen alle oben '
angeführten biologisch-teleologischen zunächst nur theoretischen Ein-
sichten selbstverständlich verpflichtende Kraft. Sind wir Gott mit
jedem Atemzuge unseres Daseins verantwortlich, so sind wir es natür-
lich auch im Hinblick auf unsere sämtlichen Mitgeschöpfe und ohne Zwei-
fel sogar auch im Hinblick auf die anorganische Natur, soweit dieselbe V
unserem Willen irgendwie untersteht. Es gibt dann, grundsätzlich an-
gesehen, nichts mehr, was von dieser Verantwortung ausgenommen
wäre. Wie aus solcher allgemeinen Einsicht dann Regeln oder Anwei- U
sungen für das Verhalten im Einzelfall werden sollen, das bedarf freilich
noch besonderen Nachdenkens, für alle solchen Fälle gilt das Wort: “
Suchet, so werdet ihr finden. Wir sind — belehrt durch die Geschichte — S
nicht mehr der naiven Meinung, daß wir Menschen Gottes Willen fix S
und fertig kodifiziert und verbrieft in irgendwelchen menschlichen In- -
stitutionen, Schriften od. dgl. vor uns hätten und nur mechanisch hier '
nachzusehen oder nachzufragen brauchten, um zu wissen, was wir
tun sollen. Jede Zeit und jedes Volk steht vielmehr immer wieder vor
besonderen neuen Aufgaben, und eine der unsrigen ist offenbar
die Lösung der brennenden Frage, wie das wenige, was die
menschliche Kulturtätigkeit noch von der ursprünglichen
Schöpfung übriggelassen hat, erhalten werden kann, ohne
doch jener Tätigkeit selbst unerträgliche Hemmungen auf-
zuerlegen. Noch etwas allgemeiner gefaßt lautet diese Frage: wie
kann und soll der Mensch überhaupt seine höheren Kulturwerte in Ein-
klang bringen mit den an ihrer Stelle ebenfalls berechtigten anderen
DS