Full text: Ergebnisse und Probleme der Naturwissenschaften

Be IV. Natur und Mensch 
sind, die anorganische wie die organische Natur unter Umständen ein- 
schneidend umzumodeln. In der Tat wirkt denn auch fast alles, was 
frühere Jahrhunderte in dieser Beziehung geschaffen haben, keineswegs 
ohne weiteres verletzend und sinnwidrig. Wie harmonisch fügt sich so 
eine alte Wassermühle dem Tal, der Weg dem Gelände, das Haustier 
dem menschlichen Haushalte und der zur Wiese umgemodelten Steppe 
usw. ein! Erst die neueste überstürzte Entwicklung der Technik und 
das rücksichtslose Hasten des modernen Lebensbetriebs in allen seinen 
Verzweigungen hat jene katastrophalen Umwälzungen der anorganischen 
wie organischen Umwelt herbeigeführt, die heute das Thema Natur- 
schutz zu einem so aktuellen gemacht haben. Wenn man heute durch 
eine Stadt wie Gelsenkirchen oder Hamborn geht, wie sie, über Nacht 
aus der Erde gewachsen, nach allen Dimensionen unschön und un- 
harmonisch, häßlich, rauchig und verunstaltet dastehen, der kann 
allerdings wohl auf den Gedanken kommen, daß der Mensch hier seine 
Rechte überschritten und in die Schöpfung mit brutalem Egoismus ein- 
gegriffen habe, der sich einmal so oder so an ihm rächen muß. Das 
gleiche gilt für die von blinder Erwerbsgier diktierte Ausrottung so 
mancher Pflanzen und Tiere, man denke nur an die wundervolle Kaori- 
fichte der Südsee, die Dronten und Alken der kalten Meere, denen die 
Wale wahrscheinlich in kurzer Frist folgen werden, unsere einheimischen 
schönen Raubtiere wie Luchs, Wildkatze usw. Daß die Regierungen 
im Namen der Gesamtheit der Menschen hier ein Machtwort gegen den 
alles verschlingenden Mammonismus sprechen und damit zugleich die 
Sache der außermenschlichen Schöpfung führen, ist höchst angebracht 
und geschieht leider nur immer noch viel zu wenig. Wenn der Fortschritt 
der Kultur mit der völligen Vernichtung nie wieder ersetzbarer 
Lebensformen erkauft wird, dann ist es kein wirklicher Fortschritt, son- 
dern eine Verarmung und ein Rückschritt. Was irgend noch zu retten 
ist, sollte jetzt in letzter Stunde gerettet werden. 
Die Umgestaltung der Natur durch die Kultur betrifft nun aber nicht 
nur die außermenschliche Schöpfung, sondern sie betrifft auch den 
Menschen selbst. Auch unsere eigenen natürlichen Lebensbedingungen 
sind durch die Kultur gegenüber dem Zustande des Urmenschen total 
umgestaltet und wandeln sich noch fortwährend. Es entsteht auch hier 
die Frage, bis wieweit dieser Prozeß als gut und sinnvoll zu bejahen 
und von welchem Punkte an er als verderblich und falsch zu bekämpfen 
ist. Sie hat teilweise zu sehr merkwürdigen und manchmal fanatischen 
„Lebensreform“‘-Plänen und -Lehren geführt. Die einen verwerfen jede 
tierische Nahrung, die anderen sogar das Kochen der pflanzlichen Nah- 
rung, die dritten wollen die Kleidung möglichst ganz wieder abschaffen, 
die vierten nur Wasser trinken, die fünften wieder in Waldhütten wohnen 
usw. usw. Seit Rousseaus ‚„‚Emile‘‘ sind ungezählte Romane erschienen, 
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