568 IV. Natur und Mensch
Es muß genügen, dem Grundsatze einen unzweideutigen Ausdruck
gegeben zu haben, der meines Erachtens hier wie in dem ganzen Gebiete
allein ein objektives und gerechtes Urteil ermöglichen kann, bei dem
sowohl den berechtigten Belangen der ewig fließenden Kulturentwick-
lung, wie den ewigen und überzeitlichen Zielen aller dieser Entwicklung
ihr Recht gewahrt werden kann“).
Hiermit stehen wir nun abermals vor dem schon so oft gestreiften
Problem, das wir nun einer kurzen Erörterung noch unterziehen müssen,
obwohl wir mit ihm den Boden der Naturphilosophie anscheinend ganz
verlassen, es ist das
7. Problem der Werte
Es gehört, wie wir sehen werden, doch so unauflöslich mit naturwissen-
schaftlichen Einsichten zusammen, daß wir nicht nur das Recht, sondern
die Pflicht haben, es zu guter letzt auch mit aufzurollen, da wir sonst an
einer der wesentlichsten Aufgaben der Naturphilosophie vorbeigehen
würden.
In bezug auf eine ganze Anzahl von Punkten, die hier zu erörtern
wären, können wir uns mit kurzen Hinweisen auf bereits früher Gesagtes
begnügen. So sei zunächst daran erinnert, daß wir in dem technischen
Grundwert, dem Zweckmäßigen, einen gleichberechtigten, vierten
Grundwert neben den altbekannten drei anderen des Wahren, Guten
und Schönen erkannten. Hier wäre hinzuzufügen, daß diesen vier Haupt-
wertkategorien zwar nicht nach Ansicht aller Denker, wohl aber einer
ganzen Anzahl von ihnen, und auch des Verfassers, als fünftes Wert-
gebiet sui generis das religiöse mit seinem Grundwert, dem „Heiligen“ 490)
zur Seite steht, oder auch übergeordnet ist, insofern sich für den reli-
giösen Menschen notwendig in diesem Werte alle anderen zusammen-
fassen. Genauer brauchen wir auf das hier angedeutete Problem des
Verhältnisses der Religion zu den anderen vier Gebieten jedoch nicht
einzugehen.
Die einzelnen Werturteile sind im Laufe der Menschheitsgeschichte,
wie wir schon oben (S. 488) kurz darlegten, zunächst an einzelnen kon-
kreten Fällen und dann auch nur als Einzelurteile erfaßt worden. Am
ersten. von allen Werten dürfte der ästhetische sich im Sinne der oben-
erwähnten Wundtschen‘ Heterogonie selbständig gemacht haben,
denn schon die ältesten uns bekannten Kulturen (s. oben) zeigen über-
raschend hohe Kunstformen. Doch ist auch auf diesem Gebiete eine
vollbewußte Kunst, die das Schöne eben nur um des Schönen willen
treibt und darin eine Aufgabe eigener Art klar erkennt, erst ziemlich spät
sicher nachweisbar. Wann, wo, wie und auf welche Veranlassungen hin
sich im einzelnen dieser eigentliche Durchbruch zum Geist, d. i. die Los-
lösung des betreffenden Wertgebiets von den konkreten Anlässen und