572 IV. Natur und Mensch
rieren, daß „deutsch sein heißt: eine Sache um ihrer selbst willen tun“.
Es ist für mich gar kein Zweifel, daß die Fähigkeit gerade des nor-
dischen Menschen, in einer geradezu staunenswerten Unbekümmertheit
um sein eigenes Schicksal den Sachen nachzugehen, diese Fähigkeit,
die alle unsere großen Entdecker, Erfinder und Forscher auszeichnet,
eine der Hauptursachen dafür ist, daß wir Europäer und nicht andere
Völker die neuzeitliche Naturwissenschaft schaffen konnten. Ich möchte
wissen, was für eine „Rassenseele‘‘ denn wohl z. B. in der Astronomie
zum Ausdruck kommen sollte, wenn es nicht eben diese völlig nüchterne
Sachlichkeit ist, die nur dies eine fragt: wie ist es wirklich ? Und da wäre
es deutsch oder „nordisch‘ gedacht, wenn wir dem Guten und Schönen
nicht zutrauen wollten, was wir hier mit so sichtlichem Erfolge dem
Wahren zutrauen: daß es sich aus eigener Kraft — und gerade nicht
abhängig von uns selber — unsere Zustimmung erzwingt, sofern wir nur
nichts anderes tun, als mit Ernst nach ihm suchen? Der Rassenrelati-
vismus erscheint mir deshalb als ebensowenig deutsch oder ‚„nordisch.‘“‘
gedacht, wie: aller andere Relativismus überhaupt, er ist vielmehr ein
recht bedenklicher Fremdkörper im deutschen Wesen. Ein Gott, der
nicht Gott schlechthin, d. h. Gott für alle Menschen und die ganze Welt
ist, ist meines Erachtens kein Gott, zu dem der Deutsche beten kann,
d.h. anders gesagt: es ist unserer ganzen Anlage nach eine contradictio
in adiecto, wenn wir die Quelle unserer „Werte“ in uns selbst, sei es
auch in unserer Erbanlage, suchen sollen. In dem Augenblick, wo sie da-
her stammten, wären sie eben für uns keine „Werte“ mehr; wir wollen
uns nicht menschlichen Göttern beugen, auch nicht denen in unserem
eigenen Inneren, sondern uns von einem über uns stehenden Gott zum
Licht hinaufziehen lassen.
Wenn man nicht von der immer stark subjektiven Kunst, sondern von
der viel objektiveren Wissenschaft, das heißt von der Bemühung um
den Wahrheitswert, ausgeht, so wird das viel unmittelbarer klar. Alle
Wissenschaft beruht, wie wir schon am Ende des ersten Teiles ausgeführt
haben, auf der Voraussetzung, daß es eine Wahrheit gibt *®3). Der Relati-
vismus ist nur insoweit berechtigt, als er uns immer aufs neue vor dem
Rückfall in den Dogmatismus und damit in das Mittelalter bewahren muß.
An dieser Stelle ziehen wir also aus dieser, durch unsere ganze Erörterung
im ersten Teile unterbauten Feststellung jetzt den grundlegend wich-
tigen Schluß:
Was auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Erkenntnis
der Wahrheit zutrifft, das wird man auf Grund eines be-
rechtigten Analogieschlusses auch auf die übrigen Wert-
gebiete übertragen dürfen, d. h. man wird auch hier das Recht
haben, den Glauben an die Existenz eines Guten, Schönen
usw. an sich festzuhalten, obwohl man auch hier und hier erst