Full text: Lehrbuch der Photographie

Negativretouche. 327 
Diese übte man früher nur am positiven Bilde aus, neuerdings be- 
schränkt man sie aber möglichst auf das Negativ. KEine einmalige 
Retouche an diesen reicht hin, um viele gute Copien zu liefern, 
während die Positivretouche an jeder einzelnen Copie wiederholt 
werden muss. 
Nun lassen sich nur gewisse Sachen im Negativ retouchiren, 
das sind Stellen, die aus irgend einem Grunde zu hell gekommen 
sind. Dunkle Flecke im Negativ aber lassen sich nur schwer fort- 
nehmen, sie erzeugen jedoch im Positiv weisse Flecke, die sich hier 
leicht mit passender Tusche decken lassen. Prinzip der Negativ- 
retouche ist, die hellen Stellen mit Farbe oder Bleistift zu über- 
gehen, bis sie eben so dunkel erscheinen als der benachbarte Grund. 
Dazu genügt in vielen Fällen ein einfaches Ausflecken, d. i. ein 
Zudecken der durchsichtigen Punkte im Negativ mit Hülfe eines 
spitzen Pinsels mittelst Lampblack oder chinesischer Tusche. 
Man übt dieses auf der Lackschicht aus. Hält die Farbe auf 
dem Lack nicht ohne Weiteres, so hilft Zusatz von wenig Gummi 
oder Mattreiben der Lackschicht mittelst zarten geschlemmten Bim- 
steinpulvers, das man mit dem Finger vorsichtig verreibt. Nur 
wenige Photographen, z. B. Reichardt und Lindner in Berlin, arbeiten 
auf der mit einer Gummilösung 1:10 überzogenen Collodiumbild- 
schicht. 
Man giesst diese Lösung auf, nachdem das Negativ fixirt und 
gewaschen ist, verdrängt durch eine erste Portion das Wasser und 
giesst noch eine zweite Portion nach. Die trockene Gummischicht 
erfordert aber ein sehr vorsichtiges Arbeiten, namentlich mit Blei- 
stift. Die so hergestellte Retouche hat aber den Vortheil, nach dem 
Auftragen des Lacks durch diesen geschützt zu sein, während die 
Retouche auf dem Lack beim Copiren allmählich abgerieben wird. 
Für einige Dutzend‘ Copien . sitzt jedoch die gewöhnliche Lack- 
retouche fest genug. Halbdurchsichtige Stellen oder solche, die man 
nur schwach decken will, behandelt man am besten mit Bleistift. 
Nur bei breiten Flächen pflegt man Retouche an der Rückseite 
vorzuziehen, indem man gummihaltige Farbe möglichst gleichmässig 
auf der Glasseite an betreffender ‚Stelle entweder in Strichen auf- 
trägt oder breit übermalt, und nach dem Halbtrockenwerden mit 
einem breiten flachen. Borstenpinsel, dem sogenannten Vertreiber, 
betupft. Dieser macht die Farbe ‘gleichmässig. Die über den 
retouchirten Stellen wegstehenden Theile wischt man ab. Schmälere 
Theile werden auf dem Lack mit Bleistift retouchirt. 
Man muss dazu verschiedene Bleistifte, vom weichsten bis zum 
härtesten disponibel haben; je nach dem Lack und der gewünschten 
Intensität der Retouche wird bald der eine, bald der andere dienlich 
sein. Man benutzt das Blei zunächst zum Decken von Falten und 
Flecken im Gesicht, indem man diese mit Blei passender Härte 
nach dem Mattiren *) des Lacks übergeht und sie entweder völlig 
*) Bei gewissen weichen Lacken ist das Mattiren oft nicht nöthig. 
Statt des Mattirens hat man auch Ueberwischen mit Riceinusöl vor-
	        
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