Full text: Lehrbuch der Photographie

Negativretouche. 381 
Die Summe der Thätigkeit eines Retoucheurs würde sich nach 
dem Gesagten also kurz dahin ziehen lassen: Hervorhebung der 
Flächen, gewissenhafte Trennung in der Behandlung harter oder 
weicher Haaransätze. Unterordnung oder Beseitigung senkrechter 
und unbedeutender Falten, gemilderte Erhaltung der grossen Quer- 
falten, Klärung der Augenbrauenbogen, Wie weit diese Operationen 
zu treiben seien, richtet sich selbstverständlich nach dem Alter und 
Geschlecht des Originals. 
Der Kopf, im Profil gesehen, zeigt oft einen Mangel an Aus- 
dehnung am Hinterhaupt. Kleinheit des Hirnschädels im Gegensatz 
zum vergrösserten Gesichtsschädel giebt das Charakteristikum des 
Thiers. Man setze durch Retouche das Fehlende hinzu; jedenfalls 
wird der Kopf dann bedeutender erscheinen, Ebenso kann bei 
einer unsymmetrischen Anordnung der Coiffüre durch Zusetzen und 
Abschneiden leicht die nöthige Gleichmässigkeit erreicht werden. 
Zu dunkel wirkende Haare bei Blondinen können durch Decken, 
die oft unterexponirten Schattenpartieen schwarzer Haare durch ge- 
schicktes Hineinzeichnen von Details geklärt und in Harmonie ge- 
setzt werden. Acehnlich verhält es sich mit den Bärten. 
Die Nase, von deren oberem, festen Theil dasselbe, wie von 
den knochigen Stirnpartieen gilt, verläuft nach unten in einen festen 
Muskel, der auch mehr oder weniger flächig ist. Man reinige den 
Nasenrücken durchaus und trenne ihn nöthigenfalls durch Aufsetzen 
eines Glanzlichtes von den Seitenwänden der Nase. Die Schatten 
der Nasenflügel müssen gedeckt, diese selbst können bescheiden ver- 
kleinert werden, wenn sie durch zu starke Ausdehnung auffallen. 
Schiefe Nasen in der Faceansicht können oft verbessert werden. 
Die Schatten in den Nasenlöchern dürfen nicht absolut schwarz 
bleiben. Man achte ferner auf den Fall, dass der reflectirte Kern- 
schatten der Nasenuntersicht nicht mit dem Schlagschatten der Nase 
von gleicher Tiefe sei. Durch Aufhellen der Nasenspitze wird die- 
selbe sofort losgelöst und wird plastischer. Was die Profilansicht 
der Nase betrifft, so darf nie an der Linie der oberen, durch das 
Knochengerüst so. charakteristisch bestimmten Form geändert wer- 
den. Dagegen kann der fleischige Theil, der im Alter oft eine 
überwuchernde und ungestaltete Ausdehnung annimmt, etwas Vver- 
ringert werden, ohne der Aehnlichkeit zu schaden. 
Der Mund ist in seiner leichten Beweglichkeit, in dem Herab- 
senken oder Heben seiner Winkel, in seiner grösseren oder geringeren 
Ausdehnung ein Hauptmerkmal innerer Vorgänge; oft kann, was 
bei der Aufnahme, besonders bei Kindern, versäumt wurde, durch 
kluge Retouche eingebracht werden. Man trenne zunächst die Schnitt- 
flächen des Mundes, die Lippen von dem eigentlichen Spalt; ebenso 
wie die. Mundwinkel. Man: reinige erstere von den hässlichen 
Sprüngen. Die Form des Mundes kann durch Hervorheben der 
Grenzen und deren vorsichtige Regulirung leicht sehr verschönert 
werden. Wenn sich in höherem Alter der Mundschlitz in die seitlich 
nach unten zu auftretenden Falten der Mundwinkel verläuft, so sorge 
man, dass diese gemildert, wenigstens nicht so stark im Ton er-
	        
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