Full text: Lehrbuch der Photographie

332 Negativretouche. 
halten bleiben, wie die Lippen. Oberhalb des Mundes treten eben- 
falls im Alter grössere Einsenkungen und Falten auf, die leicht den 
Eindruck eines unrasirten Bartes machen, Sie können entfernt wer- 
den. Nur achte man auf die verschiedenen Lichtwerthe der zwischen 
Mund und Nase gelegenen Partieen, speciell auf die Klärung der 
von der Nasenscheidewand zur Mitte der Oberlippe laufenden Er- 
höhung. Die Schärfe der Lippenkanten nach Aussen ist sehr wech- 
selnd. Weiche, stark aufgeworfene Lippen erhalten mehr Licht, als 
normal ‚gespaltene. Man darf im ersteren Fall die Grenzen nicht 
zu stark hervorheben, um nicht eine Partie anzudeuten, deren Form 
und Zeichnung nicht durch ihren Lichtwerth bestätigt wird. Die 
Mundwinkel dürfen höchstens gemildert und bei alten Köpfen ver- 
kleinert, nie aber fortgebracht werden; und zwar kann diese Mil- 
derung unterhalb stärker vorgehen, als oben, da das Herabhängen 
der Mundwinkel ein Hauptzeichen des durch Erschlaffung, Traurig- 
keit oder dergleichen hervorgebrachten üblen Ausdrucks ist. Die 
Zähne sind in den meisten Fällen sehr schattig. Sie durch Tilgung 
ihrer Zwischenräume mit den Lippen zu verschmelzen, wenn ein 
offener Mund erwünscht ist, ist vielleicht rathsam, wenn die Oeffnung 
nicht zu gross ist, da sonst das Resultat übermässig grosse Lippen 
sein würde. 
Das Auge ist so sehr einer der wichtigsten Theile des Ge- 
sichtes, dass sich schon während der. Aufnahme die gespannteste 
Aufmerksamkeit des Photographen auf die Richtung, den Ausdruck, 
die Umgebung desselben richtet. Nichtsdestoweniger bleibt der nach- 
helfenden Hand des Retoucheurs ‚bei vielen Gelegenheiten noch Arbeit 
genug übrig. Kinige von diesen Fällen mögen hier erwähnt werden. 
Der. oft beim Beginn der Exposition klare und sichere Blick. trübt 
sich, die Augenlider und Augäpfel sinken fast unmerklich herab und 
die Glanzlichter am oberen Theil der letzteren werden verschwommen 
oder auch wohl ganz durch die darüber gelagerten Wimpern ver- 
deckt. Man kann hier leicht helfen, wenn man die Ränder der Iris 
im Negativ. scharf umzeichnet und die Glanzlichter deckt. Häufig 
kommt es vor, dass die Glanzlichter des im Schatten gelegenen Auges 
stärker auftreten, als diejenigen der beleuchteten Gesichtshälfte; hier 
muss selbstverständlich nach beiden Seiten hin ausgeglichen werden. 
Aehnlich werden auch die unteren Lider durch allzu häufiges Blinzeln 
unscharf. An deren Rande findet sich in der Regel ein scharf ge- 
zeichnetes, sehr deutliches Licht, fast immer heller, als der Ton des 
Weissen im Auge, welches sich sehr gut im Negativ verstärken und 
klären ‚lässt. Durch das Weisse des Auges ziehen, sich störende, 
besonders im Alter auffälliger werdende Aederchen, die in der Photo- 
graphie den Eindruck des Fleckigen oder Verwitterten machen. Sie 
können durchaus entfernt werden; nur achte man darauf, dass hier- 
bei das Weiss nicht zu hell werde. 
Was die Umgebungen des Auges betrifft, so fällt zunächst der 
über demselben gelegene fleischige "heil als zu dunkel unangenehm 
auf. Man suche durch Aufhellen desselben die Formen der Augen- 
brauen und der über dem oberen Augenlid gelegenen Falten zu klären
	        
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