Angewandte Photographie.
Fünftes Capitel.
Angewandte Photographie.
In dem vorliegenden Theil unseres Buches haben wir ausführlich
die Operationen zur Herstellung eines ne gativen und positiven
Bildes mit Hülfe des Lichtes im A llgemeinen erörtert, ohne
Rücksicht auf die Natur des aufzunehmenden Gegen-
standes.
Wer die beschriebenen Methoden genau nach Vorschrift ver-
folgt, wird für alle Fälle, er mag aufnehmen, was er will, ein Bild
erhalten, selten aber ein dem Zweck entsprechendes. Selbst
dem Anfänger wird es bald klar, dass die Natur des Gegenstandes
einen sehr grossen Einfluss auf das Gelingen ausübt und dass man
darauf wesentlich Rücksicht nehmen muss, wenn das Resultat ein
befriedigendes sein soll.
Man versuche einmal mit der für ein Portrait genügenden
scharfen Einstellung ein Oelgemälde oder einen Kupferstich
zu machen, und man wird ein total unscharfes Bild erhalten , oder
man versuche mit einer Expositionszeit, die für eine Gypsbüste
genügte eine Broncestatue aufzunehmen und das Resultat wird ein
unterexponirtes Bild sein. Oder man photographire ein schwarzes
Maschinenmodell vor demselben dunklen HKintergrunde, der sich
für eine Marmorbüste als vortrefflich erwiesen hat ‚ und man
wird Mühe haben, nur die Contouren des Gegenstandes in dem fer-
tigen Bilde zu bemerken, oder man probire die für Reproductionen
oft nöthige intensive Verstärkung für ein Portraitnegativ oder
nehme einmal in einer für ein Portrait passenden Beleuchtun g
eine grosse Zeichnung auf und man wird sich über das Resultat
entsetzen.
Die Natur und die Reihenfolge der Operationen bleibt im Allge-
meinen überall dieselbe und doch muss jede derselben: Aufstellun &,
Beleuchtung, Objectivwahl, Scharfeinstellung, Exposi-
tionszeit, Entwickelung, Verstärkung, den KEigenthümlich-
keiten des aufzunehmenden Gegenstandes angepasst werden, falls das
Resultat ein befriedigendes sein soll.
Es ist ein Irrthum zu glauben, dass die Photographie
immer wahr zeichne. Nichts kann unter Umständen unwahrer
sein, als eine Photographie, wenn sie unter für den Gegenstand nicht
passenden Verhältnissen gemacht ist (s. u. Aesthetik).
Wir müssen uns deshalb über die Anwendung der photographishen
Operationen auf die Objecte verschiedener Natur noch ausführ-
licher verbreiten.
Das Feld ist gross und fast unabsehbar: Sonne, Mond und Sterne,
Thiere, Pflanzen, Mineralien, Kunst- und Naturproducte, der Mikro-
kosmus und der Makrokosmus, alles gehört in das Bereich der Photo-
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