Sphärische Aberration und Anomalien schiefer Kegel. 99
vergent, divergent. Es ist nun leicht einzusehen, dass eine Com-
bination zweier solcher Flächen, die entgegengesetzt auf den Astig-
matismus wirken, denselben völlig aufzuheben im Stande sind, wenn
ihre entgegengesetzten Abweichungen gleich gross werden. Die Er-
füllung dieser Bedingung allein ist jedoch noch nicht ausreichend:
man muss soviel Brechungsüberschuss auf der positiven Seite behalten,
wie möglich! Dies kann nun einerseits durch Anwendung von Medien
verschiedener Brechungskraft geschehen; in viel stärkerem Maasse je-
doch, wie man leicht sieht, indem man die Brechungen im Linsen-
system so vertheilt, dass der Cardinalstrahl an stark convexen Flächen
einen kleinen KEinfallswinkel («) bildet und einen grossen Einfalls-
winkel («,) an schwachconcaven gekrümmten Flächen. Die Ausgleichung
50 extremer Flächen lässt freilich kleine Fehler höherer Ordnung zurück,
die indessen leicht so klein gemacht werden können, dass sie nicht
merklich werden. Dies ist nun auch in der That das Verfahren, das
bewusst oder unbewusst von allen praktischen Optikern befolgt wird.
Bei verkitteten Bestandlinsen der Objective ist es daher eine nicht zu
vermeidende Bedingung, dass wenigstens eine Concavfläche (in Be-
rührung mit Luft) vorhanden sein muss, um den Astigmatismus zu
compensiren! Und zwar in solcher Lage, dass der Cardinalstrahl einen
hinreichend grossen Einfallswinkel an einer solchen concaven Fläche
bildet. Die Neigung des Cardinalstrahlenkegels an den verkitteten
Üontactflächen ist meist gering und wirken hier die Gläser nur mit
ihrer Differenz, daher die concave Aussenfläche viel Wichtiger ist!
Man ha es nun durch die Aenderung der Distance der beiden Be-
standlinsen eines jeden symmetrischen Systems in der Gewalt, dass die
obigen Bedingungen erfüllt werden und einen wirklichen Anastig-
maten daraus machen, indem es weiter nichts bedarf, als die Distance
der Linsen durch Versuche so abzugleichen, dass der Astigmatis-
mus völlig verschwindet. Ein Experiment, das jeder Photograph
leicht versuchen kann, indem er nur nöthig hat, das Rohr, das beide
Achromate getrennt erhält, durch ein entsprechend kürzeres zu er-
setzen. Der Astigmatismus wird alsdann vollständig gehoben, wenn die
Combination symmetrisch ist. Nun kann man aber die Frage aufwerfen,
warum macht denn aber der Optiker nicht gleich aus jedem System
das er fertigt, einen Anastigmaten?
Ist dieser Umstand dem praktischen Optiker entgangen? Das
ist wohl nicht anzunehmen! Ich kenne wenigstens viele, die es wissen.
Der Grund ist einfach der: verfertigt man aus den früheren Glasarten
photographische Linsensysteme (symmetrisch) und schafft den Astig-
matismus völlig heraus, so liegt das fehlerfreie Bild. auf einer ge-
wölbten Fläche, welche dem Object ihre concave Seite zukehrt und
Se