102 JIIT.: Kapitel.
Hauptschnitt der Linsensysteme. In Combination mit dem der Coma
so nahe verwandten Astigmatismus (zumal wenn noch die sphärische
Aberration diese Uebel vermehrend, hinzutritt) entstehen alle die
complicirten Figuren des Bildes eines leuchtenden Punktes, welche
man an Linsensystemen beobachten kann, wenn man dieselben auf die
später zu erklärenden Untersuchungsmethoden auf Fehler probirt. Es
ist noch zu beachten, dass die Wirkung des Astigmatismus nicht
allein darin besteht, dass die Lichtkegel in zwei auf einander recht-
winkligen Ebenen verschiedene Foci haben. Aus Fig. No. 33 ist
zugleich ersichtlich (wo der untercorrigirte Astigmatismus dargestellt
ist), dass sich zugleich mit der Trennung in zwei Focallinien die ab-
solute Länge des Kegels stark verkürzt, indem die Seiten des Kegels
im Hauptschnitt sich in Folge der sehr ungleichen Ablenkung von
ihrer ursprünglichen Richtung, zugleich die Coma bildend, viel früher
gegenseitig schneiden, als der Fall gewesen wäre, wenn die Axe des
Kegels mit der optischen Axe zusammengefallen wäre. Der Effect
des untercorrigirten Astigmatismus besteht, also ausser der Erzeugung
der astigmatischen Differenz im Lichtkegel, noch darin dass er die
positive Bildwölbung der Linsen sehr vermehrt. Der bei weitem
grösste Theil der Bildwölbung, die man bei einfachen Linsen oder
verkitteten Achromaten etc. findet (wenn solche mit untercorrigirtem
Astigmatismus behaftet sind) rührt aus dieser Ursache her. Wenn
in dem Folgenden von der Bildwölbung die Rede ist, so ist immer
stillschweigend vorausgesetzt, dass diejenige Bildwölbung
darunter verstanden ist, welche resultirt, wenn bereits der Astigmatis-
mus und die Coma gehoben sind! Gelingt es, diese dann zu heben
(wie wir sehen werden), dann ist damit alles für die Herstellung
eines aplanatischen Bildes gethan, was überhaupt geschehen kann,
so weit die Gesetze der geometrischen Optik reichen. Es geht
gleichfalls hieraus hervor, dass im umgekehrten Fall, im übercorri-
girten Astigmatismus die Uebercorrection leicht so weit getrieben
werden kann, dass der Radius der Bildwölbung (während er co, also
die Planheit passirt hat) das entgegengesetzte Vorzeichen erhält, also
den (convexen) Scheitel seiner Wölbung dem einfallenden Licht zu-
kehrt. Immer wird dieses convexe Bild aber mit übercorrigirtem
Astigmatismus behaftet sein, so lange wir nicht über ganz andere
brechende Medien disponiren wie bisher. Man kann die Uebercorrection
des Astigmatismus unschwer so weit treiben, dass die Längenaber-
ration unendlich wird, d. h. dass die Strahlen in dem einen Azimuth
des Kegels parallel laufen. In diesem Fall liegt natürlich die eine
der Brennlinien im Unendlichen und man erhält dann kein verwaschenes
Bild eines Gegenstandes mehr, sondern überhaupt gar keins!
DS