196 VIII. Kapitel.
übercorrigirt sein, als die Hinterlinse untercorrigirt ist, weil für die
Hinterlinse die Bilder alsdann auf halber und ganzer Brennweite
liegen. Wird nun für jeden einzelnen Achromaten die Bedingung
für + wo und — co zugleich erfüllt, so bleiben nur Rester höherer
Ordnung für die Zwischenlagen übrig, welche mit der gegebenen An-
zahl der Bedingungen unerfüllbar sind! Man kann diese Rechnungen
nun leicht mit der nach Stampfer hierzu umgeformten Herschel’schen
Gleichung durchführen (obwohl ich einen noch bedeutend kürzern Weg
durch Entwickelung der hier in Betracht kommenden Funetionen ge-
funden habe); und ersieht daraus, dass die resultirenden Linsen nichts
anderes sind als die zweiten Wurzeln der quadratischen Gleichung
(mit den kürzern Radien), deren Bedeutung und Werth man früher
nicht kannte! Es frägt sich nach Obigem jetzt noch, in welcher
Weise wird der Astigmatismus oder die Abweichung der windschiefen
Strahlen fortgeschafft? Es geschieht dies durch die Verschiebung des
optischen Centrums des ganzen Systems (entweder durch Rechnung
oder durch praktische Versuche), indem man die Distance der beiden
Achromate verändert. Es ist nach dem Frühern leicht ersichtlich,
dass die Neigung des Strahlenkegels (der Cardinalstrahlen) an allen
drei Flächen eines jeden Achromaten die Ausgleichung des Astig-
matismus bedingt. Nähert man die Linsen einander zu viel, so wird
das System astigmatisch untercorri girt, entfernt man dieselben
zu Weit, so wird es übercorrigirt. Ist es durch die Entfernung
richtig corrigirt, also ganz frei von Astigmatismus, so hat die Bild-
wölbung am Scheitel, nahe den durch Petzval’s Formel angegebenen
Radius; nähert man die Linsen einander mehr, so krümmt sich die
Bildwölbung stärker, zugleich sich in den beiden Azimuthen trennend
und untercorrigirt werdend, entfernt man die Linsen mehr, so erscheint
übercorrigirter Astigmatismus, der die Bildwölbung abflacht, zuerst
die eine der Brennlinien desselben in das plane Bild fallen lässt und
dann die 2., und fernerhinaus das Bild, das vorher convex gegen die
Visirscheibe gekrümmt, jetzt concav gegen dieselbe wölbt. Hierbei
verlier6 man natürlich die Definition der schiefen Kegel, die im Fall
des compensirten Astigmatismus perfect ist, um so me hr, je mehr
der Astigmatismus unter- oder übercorrigirt ist! Man sollte bei Glas-
arten, die nicht von vornherein (wie z. B. bei meiner concentrischen
Linse) in der Petzval’schen Gleichung die Bildwölbung annähernd ge-
hoben angeben, nie weiter mit der Entfernung der Linsen gehen, als
dass die erste Brennlinie (welche tangential liegt) in die wirkliche
Bildebene fällt. Um einen Anhalt über diese Linsenentfernung zu
haben, kann man sich die Regel merken, dass die Contactflächen der
Linsen annähernd eine Kugel bilden sollen. Vorausgesetzt, dass