Kinleitung,
Erfahrung geleitetes Tatonnement angewiesen, das sich indess inner-
halb des meist mit Geheimniss umgebenen Geschäftskreises der prak-
tischen Optiker in ziemlich hohem Grade ausbildete, so dass es schon
einer sehr weit entwickelten Theorie bedurfte, um nicht hinter den Er-
gebnissen des Tatonnements zurückzubleiben! Es mag hier als Bei-
spiel angeführt werden, dass M. Biot den 6. December 1841 der
Akademie des sciences ein „Memoire sur les Lunettes Achromatique
a Oculaires Multiples“ vorlegte, das auf 309 Quartseiten die Theorie
der terrestrischen Oculare, welche nur aus vier einfachen Planconvex-
linsen bestehen, behandelt hat und welches gerade ausreicht, dass
der Praktiker mit Sicherheit (nachdem er die vorhandenen Druckfehler
berichtigt hat) ein vorzügliches Ocular, das allen billigen Ansprüchen
genügt, darnach berechnen kann, wozu noch die grosse, am Schluss
dieser vorzüglichen Arbeit angefügte Tabelle eine grosse Erleichterung
gewährt! Was soll man nun von solchen populären Schriften sagen,
welche prätendiren, den Praktiker Anleitung in fast allen ihm vor-
kommenden Fällen zu geben und in Summa für sämmtliche Apparate
nur einen Bruchtheil des Umfangs der Biot’schen Oculararbeit in An-
spruch nehmen? Solches Machwerk ist eben absolut unbrauch-
bar! Da ist der alte und beliebte Prechtl in seiner praktischen
Dioptrik doch ebrlicher; er sagt einfach: „die Berechnung des terrestri-
schen Oculars sei viel zu compliecirt, um solche vorzutragen“ und
begnügt sich damit, die Abmessung von ein paar vorzüglichen (nur
für Specialfälle gerechneten) Fraunhofer Ocularen zu geben! Für die
complicirteren von C, Kellner erfundenen orthoskopisch-terrestrischen
Ocularen existirt nicht einmal etwas Unbrauchbares, sondern einfach
„gar nichts“. Es ist da jeder auf seine eignen Fähigkeiten ange-
wiesen, die Theorie selbst zu entwickeln oder nach der „Daumenregel“
zu arbeiten, wie man sich hier ausdrückt. Kin solcher „Glücksfall“
wie die Biot’sche Arbeit ist dem Praktiker leider nicht zum zweiten
Mal geboten! Nehmen wir nur noch einen ganz einfachen Fall,
das altbekannte astronomische Fernrohr Ocular (aus zwei Planconvex-
linsen bestehend), welches unberechtigter Weise Huyghens’ Namen
trägt! Die Regel für den Praktiker lautet: „man nehme die Brenn-
weiten der Bestandlinsen 1:3 und deren Distance = 2, so ist das
Aequivalent desselben 1, und das Ocular achromatisch. Dass diese
Verhältnisse in Bezug auf die Erfüllung eines perspectivisch richtigen
Bildes nur für ein Objectivglas von unendlicher Brennweite richtig
sind, fällt keinem Theoretiker ein, nachzuweisen, auch nicht welche
Verhältnisse nun die richtigen sind, wenn die Objectivbrennweite
und die verlangte Vergrösserung gegeben sind! Verfasser war daher
wie in so vielen Fällen auch hier genöthigt, diese ziemlich einfache