Full text: Die Geschichte der Römischen und Florentinischen Schule enthaltend (2. Abtheilung, I, 1. Band)

2 Geschichte 
Physiognomie * und der sittliche Charakter der Künst- 
ler in ihre Werke übergeht, eine Sache, die in der be 
That viel .Wahrscheinlichkeit für sich hat, aber ihrer | 
Natur nach keinen mathematischen Beweis zuläßt, n 
so ließe sich der zulekßt genannte Fehler. aus dem schänd- € 
lichen Geize, welchen VBasari ihm Schuld giebt, er- . 
klären. Ein Beyspiel des Gegentheils in diesem Punk- 
te, sowohl im persönlichen Charakter als in der Kunst, 
Hat man wirklich an Paul von Verona und. Rubens. 
Daß Pietro arm an Erfindung gewesen ist, und sich 
daher öster wiederholt hat, ist ein Mangel , den weit 
größere Künstler mit ihm gemein haben. Auch hier 
ossenbart sich vielleicht der Einfluß seines eben erwähn/ 
ten Geizes. Man. hat einmahl seine Studien nach der 
Natur , nach Modellen und so weiter, für das ersie 
Gemählde gemacht; bey einer ähnlichen Gelegenheit 
will man sie sich ersparen, bedient sich also der einmahl 
bestimmten Komposizion. Sollten diese verschiednen 
sich wiederholten Werke an verschiednen Dertern, weit 
von einander entfernt, aufgestellt werden, so glaubte 
der Mahler vielleicht um so eher bey diesem Kunsitgriffe 
sicher zu gehen, da nur ein Reisender ihn entdecken kann. 
Man ist hierin strenger gegen den Künsiler als gegen den 
Gelehrten: von jenem erwartet man eigne Erfindung z 
diesem vergönnt man es eher, seinen einmahßl gesam? 
melten Vorrath von Anszügen und dergleichen in ver? 
schiednen Zusammensekungen und Cinkleidungen wieder 
aufzutischen. Was den Pierro Perugino betrifft, so 
kann man sagen, die Himmelfahrten Christi und | 
Maria , die man von ihm zu Florenz , Boloqua , Pe- 
rugia und Citta di S. Sepolcro sicht, seyen überall 
dieselben. 
Seine 
1. Ueber die Dhysiognomien . verschiedener Künstler siehe 
Deila Valle Lettere Seneßi T.1, p. 41. 
OD
	        
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