104 Geschichte
Es würde eine. überslüßige Mühe seyn , wenn ich 0
hier dieß Gemählde von neuem beschreiben wollte, das "
von so vielen Schriftstellern , Künstlern und Diletwtan- Mn
ten beschrieben, gelobt, getadelt und zergliedert vor- 4
den ist. Mit der tiefsten Einsicht hat Mengs davon T
geurtheilt *; Richardson * und Falconet haben es scharf ?
Fritisirt. Es sey mir erlaubt, hier nur einige Bettach?
tungen über den Hauptfehler anzustellen , welchen man
dem Künstler zur Last legt, und zu versuchen, in wie
fern sich seine Anordnung rechtfertigen läßt... Man ta-
delt Raphaeln, daß er gegen die ersten unumstößlichen
Regeln der Komposizion sich nicht auf eineeinzige Hand-
lung und einen Moment beschränkt, sondern zwey ganz
verschiedne Handlungen , folglich.auch zwey Momente
wiütkührlich in seinem Gemählde verbunden habe, in-
dem der obere Theil desselben die Verklärung Christi,
der untere hingegen den Mondsüchtigen , von den übri-
gen Jüngern umringt, darstellt. Dem Evangelisten
zufolge ", sagt der Vater dieses Unglücklichen zu Chri-
stus, als er vom Berge zurückkehrt: “Ich habe ihn
»zu deinen Jüngern gebracht, sie konnten ihn aber nicht
„Deilen". Dieß war also während der Abwesenheit des
Heilands vorgefallen: und welche Unwahrscheinlichkeit
liegt darin, daß bey den Begebenheiten derselbe Au-
genblick angewiesen wird ? Dieß ist unstreitig Raphaels
Zdee gewesen ; er macht sie dadurch noch einleuchtender,
daß er einige von den Jüngern im Vordergrunde nach
Christus hinaufzeigen läßt; nicht als ob sie etwas von
der Verklärung sehen wollten, denn davon sollten und
fonnten sie nichts sehen oder wissen, die drey oben auf
dem Berge ausgenommen: sondern sie scheinen vielmehr
den
a. Opere T.I. p. 143 sq.
X. Richardson T.1I1. p. 44. Ill, p. 610
iF. Matth, 17, 16.