Full text: Die Geschichte der Römischen und Florentinischen Schule enthaltend (2. Abtheilung, I, 1. Band)

+ Geschichte 
Da hauptsächlich dreyerley dazu beyträgt , den 
Ausdruck, dessen die menschliche Gestalt fähig ist, ber- ut 
vorzubringen : das Minenspiel / vorzüglich der Blick un 
der Augen, die Stellung oder Handlung des ganzen 2. 
Körpers, und endlich die Bewegung der Hände; so vy 
sieht man bey genauerer Erwägung deutlich ein, daß jm 
die veyden Stücke dem Künstler unmöglich zu, jener 
Verlängerung des Augenblicks dienen können, daß viel- (0 
mehr strenge Einheit darin erfodert wird ,' wenn der Wd 
Ausdruck nicht mit. sich selbst im Widerspruche stehen V 
soll. Cs bleibt also kein andres Mittel übrig , um zu- T 
gleich das , was vor dem Augenblicke, der dargestellt 
wird, hergegangen, und was- auf ihm folgen soll, 
auf gewisse Weise sehen zu lassen , als die Bewegung 
der Hände. Da ihrer zwey sind, so ist es allerdings 
möglich , durch die eine den Anfang, durch die andre 
das Ende zwey verschiedner Handlungen anzudeuten. 
Uebrigens müssen nicht alle Musxkeln in gleiche 
Wirksamkeit geseßt werden, sondern bloß den Antrie- 
ben des Gemüths folgen. Die müßigen Theile des 
Körpers müssen mit Kunst verborgen werden, und auch 
hierin ist Raphael Meister. Niemahls bat er eine un- 
nüße Figur dargestellt, und nichts daran ist ohne Be- 
deutung. . Man kann sagen, er habe unmittelbar für 
die Seele gemahlt. Denn obgleich die geistigen Eimp- 
findungen , welche seine Gemählde in uns erregen, | 
durch den Sinn des Gesichts in unser Jnnres dringen, 
so sind sie doch von einer ganz andern Art als die sinn- 
lichen Eindrücke, womit uns die Lieblichkeit der Farben 
und „die Magie des Helldunkels schmeichelt. Kurz, 
Raphael schwang sich in diesem Stücke zu einer Höhe 
der Vortrefflichbeit hinan , über die sich zu erheben 
vielleicht nie einen Sterblichen gelingen wird. 
Ich 
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