1.54 Geschichte 
mung und eine ganz der eignen Leitung überlassene 6 
Sreyheit , können am Ende zu demselben Ziele führen, u 
wenn der Geist, welcher seiner Wahl und Willfähr u 
bey seiner Ausbildung einen so großen Spielraum läßt, 6 
nicht von selbständigem Streben nach dem Schönen und 7 
BVollkommnen beseelt, uud mit origineller Kraft, es zu 8 
erreichen, begabt ist. Während sein betrachtendes Auge 2 
unter den Meisterwerken der alten Bildhauerkunst und 
der neuern Mahlerey umberirrt, um überall das Beste js 
zu wählen, während er die Natur fleißig beobachtet, n 
und sie auch in ihren feinsten Zügen zu erhaschen sucht, u 
drücken sich gewissen Gestalten, Physiognomien, Ge- jd 
bährden und Stellungen , gewisse Wirkungen des Lich- G 
tes und Schattens, sogar gewisse Draperien nnd Fal- in 
ten , ohne daß er es merkt, tiefer in seine Cinbildungs- 9 
Xraft ein , als andre, weil sie etwas mit seiner Indivi- 0% 
dualität übereinstimmendes an sich haben. Diese bringt Z 
er dann aus natürlicher Vorliebe in seinen Werken an, L 
und gewinnt Beyfall damit ; allmählig erwirbt er sich E 
duürch fortgeschte Uebung. eine gewisse Herrschaft über 4 
die mechanischen Schwierigkeiten seiner Kunst; er ar- | 
Geitet nunmehr.mit Leichtigkeit, und indem er die Jdeen? < 
masse , welche er sich durch seine Studien gebildet hat, 5 
durchläuft, scheint es ihm bey diesem scheinbaren Reich? 
thum immer unnöthiger , sich auswärts nach dem um- 
zusehen, was er in sich selbst finden zu können gläubr. ; 
So fängt er dann an, die Antiken und die Meisterstu- 2 
e>e der Neuern , als Dinge anzusehen, die ihm schon 
völlig befannt sind ; nur die Natur, die unerschöpfli- 
<e Natur, die man auch nach dem anhaltendsten Stu- 
dium doch niemahls ganz inne haben kann, muß ihm, 
wenn er sie auch nicht mehr zu Rathe zieht, doch von 
Zeit zu Zeit Erscheinungen und Gestalten vor das Auge 
bringen, die ihm gänzlich neu sind, und ihn zur Selbsit- 
erfennt?