lien Leitung, aber gefährlich durch deren Einseitigkeit; do< der Drang des
Genius in dem begabten Schüler wirft diese Fessel ab: er vergleicht, wandert,
sucht vorgerücktere Meister auf und wird selbst schöpferischer Meister , der die
Kunst durch einen neuen Aufschwung vorwärts führt.
Das Lehrlings = und Gesellen - Verhältniß, von welchem zu dem
vorh. 8. die Rede gewesen ist, war im classischen Alterthum und Mittel-
alter ganz dasselbe wie im Handwerk. Der älteste Shooß der Fortpflanzung
technischer Uebung ist die Familie, der Bater lehrt den Sohn oder die
Söhne und diese pflanzen das Erlernte in weitere Zweige ver Familie und
an die Enkel fort. Diese Form erhält sich auch neben entwicelteren
Zuständen, man denke 3, B. an P. Vischer und seine Söhne, Das
Verhältniß zwischen dem Meister und den aus fremdem Hause um ihn
sich sammelnden Schülern, das sodann an die Stelle der Familientradition
tritt, stellt nur eine patriarc<halische Erweiterung der Familie dar, die
Lehrlinge und Gesellen leben in der Negel im Hause des Meisters und
sind seiner Zucht wie Kinder des Hauses untergeben. Diese so erweiterten
Familien sind im Mittelalter dur< das über die bildenden Künste aus-
gedehnte Zunftwesen zu einem größeren Ganzen zusammengeschlossen, dessen
Satzungen den Uebergang vom Lehrling zum Gesellen, von diesem zum
Meister an strenge Bedingungen knüpfen und neben der Reglung der
Stufen der Technik zugleich die ganze gesellige Stellung der Glieder ordnen
und die sittliche Aufführung unter die Aufsicht der Zunft stellen. Am weitesten
war dieß in der Maurerzunft ausgebildet, deren locale, durch die großen
Bauten vereinigte Innungen (die Bauhütten) sich über ganze Länder
miteinander verbanden, eigene Gerichtsbarkeit hatten und den ausgespro- i
<hensten Corpsgeist entwickelten, Das Selbstbewußtsein des Künstlers, das 1
jezt in subjectiver Vereinzelung leicht erkrankt, hatte dur dieses Zunftleben ,
seine gesunde Wurzel in dem Ehrgefühle der Genossenschaftz die strenge und
lange Schult begründete Sicherheit und Gediegenheit in den handwerks- i
mäßigen Grundlagen der Kunst, die Vertraulichkeit ihrer Form bedingte ;
ein warmes Einleben in den Styl des Meisters, fesselte aber allerdings
den Schüler zu eng an Einen Meister; er verfestigte sich so in dessen 1
Kunstform, daß sie seine zweite Natur wurde. Daher die Erscheinung '
einer Menge von Sculbildern, welche nur der gründlichere Kenner nicht
mit Werken des Meisters verwechselt: eine Uniformität, welche in der
neueren Zeit so nicht möglich ist; Giotto's Styl konnte nur durch jene
Erziehungsweise der Künstler ein Jahrhundert lang in Italien herrschen.
Zum Gesellen- Leben gehört nun aber auch das Wandern und dieß war
das Gegenmittel gegen die Uebermacht der häuslich beschränkten Einflüsse
Eines Meisters. In dem begabten Schüler, der selbst die Bestimmung
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