Full text: Die Kunst überhaupt und ihre Theilung in Künste (3. Theil, 1. Abschnitt)

umwilsführlich zur Dressur werden. Sieht man davon ab oder läugnet 
man es und sagt, da die Lehrer selbst Künstler seien, so wirken sie ja 
persönlich wie der Meister in jener familiären Erziehungsform, so geräth 
man auf die neue Schwierigkeit, daß, da für die verschiedenen Zweige 
des Unterrichts verschiedene Lehrer angestellt sind, jene Einheit des Geistes 
verschwinden muß, die auf die Lehrlinge eines Meisters zwar einerseits 
sesselnd wirkt, aus der sie sich aber, wenn der eigene Geist die Flügel 
regt, auch leichter emanzipiren, eben weil es Ein erkennbarer Typus ist, 
gegen den der erwachte freie Geist sich in klare und einfache Opposition 
stellen kann. Geschichtlich aber hat sich dieß weitere Uebel der Verschie- 
denheit des Geistes im Unterricht verschiedener Lehrer in das andere verkehrt, 
daß eine lange Zeit hindurch der eingewurzelte Geist der Abstraction auch 
den geistig freien Theil der Technik schlechthin unter den Begriff des exact 
Lehrbaren subsumirte und Alles, selbst die Composition, in däs steife Maaß 
der conventionellen Regel gespannt wurde, worin denn dem Geiste der 
Zeit gemäß die verschiedenen Lehrer so übereinstimmten, daß sie alle nach 
Einem Rezept Anweisung gaben. Nachdem nun der Mechanismus, der 
zunächst den Akademien an sic) nur nahe liegt, historisch sich ausgebildet 
hatte, drang er auch in der Weise in ven Unterricht ein, daß der ver- 
nünftige Grundsatz der längeren Wiederholung einer und derselben Uebung 
bis zur Abstumpfung übertrieben wurde: ewiges Copiren, ewiges Actzeich- 
nen u. s,. w. gab statt der Sicherheit, welche ein richtiges Maaß fortgesebter 
Uebung verleiht, der Anschauung und der Phantasie den Tod. Man 
betrachte 3. B. die Concurrenzarbeiten , wie sie in der Akademie S, Luca zu 
Rom seit Jahrhunderten gesammelt sind: überall Sicherheit der Faust, 
aber durchgängig auch ein todtenhafter, Präparaten-artiger , Schablonen- 
mäßiger Charakter des Gemachten. Nun ist es allerdings die Zeit der 
Herrschaft ver Manier, in die uns unsere Erörterung geführt hat, allein 
es waren namentlich eben die Akavemieen , welche diese Sc<ulmeisterung 
der Natur durch die selbstgefällige Geschi>lichkeit des Subjects, die stehen- 
den Griffe und Pfiffe, die obligaten Effecte, das Hinrücken der Gegenstände 
in einen verfünstelten Beleuchtungsstandpunct, das Renommiren mit 
wunderbaren Stellungen, Verkürzungen, Licht - und Schatten - Contrasien, 
die repoussoirs, die Charlatanerie der Composition, die gele>te Süßigkeit und 
die eisenfresserische Gewaltsamkeit der Auffassung genährt haben, und eben- 
dieß lag ihnen ihrem Wesen gemäß nahe. Wenn wir nun behaupten, 
daß in der akademischen Einrichtung an sich diese Gefahr liegt und sie 
doch für unentbehrlich und nüglich erklären, so müssen wir die Mittel 
suchen, wodurch der Gefahr gesteuert wird. Davon im nächsten 8. Zuvor 
ist nur no< auf das Concurrenzwesen hinzuweisen, welches hier nicht, wie 
S. 907, 2. als Förderungsmittel der Kunst dur< Anspornung reifer Künstler, 
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