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Form des Bewußtseins, welche zwar im menschlihen Geiste begründet,
aber nur für einen Kreis von Zuschauern verständlich ist, die ein
tieferes Geistesleben führen, (wie Göthes Faust, erster Theil), fällt nicht
unter den Vorwurf unzuläßigen Dunkels, denn die ungleiche Bildung ist
eine Schuld der Zeitenz noc< weniger das Bedürfniß einer allgemeinen
Notiz, die den Zuschauer, Zuhörer mit vem Gegenstande überhaupt, mit
der dargestellten Situation bekannt macht: so unmittelbar leuchtet ja auch
das Naturschöne der bedeutenderen Sphären, namentlich der geschichtlichen,
nicht ein, daß der Zuschauer nicht erst wissen müßte, von was es sim in
dem vorliegenden Auftritt handelt. Was aber schlechterdings feiner Erflä-
rung bedürfen soll, das ist der Sinn eines Kunsiwerks (vergl. die Krit.
Gänge des Verf. B. 11x S. 49 ff.) und der schlimmste aller Fälle ist
der, wenn es so dunkel ist, daß man nach aller Mühe der Entzifferung
nicht einmal wissen kann, ob man den Sinn richtig gefunden hat, wie bei
dem zweiten Theil von Göthes Faust. Die letzte Ursache eines sol<en
Dunkels ist immer ein Nicht-Können, also ein Mangel an Kunst. Man
wende nicht ein, das sei dann ein Mangel des innersten Schaffens, nicht
der Technik, diese könne vielmehr mit großer Fertigkeit durchgeführt seinz
denn die Technik, wie sie vor uns entstanden ist als Spie der ästheti-
schen Thätigkeit, worin alle vorangegangenen geistigen Momente sich zu-
sammenfassen, ist der volle Strom, in welchem das Innere ungehemmt
ganz zum Aeußern wird, sie ist der sinnliche Erguß, der auc< nachdem er
fest geworden, immer no< warm bleibt, nie erkaltet, dem man immer
anfühlt, wie er frisch aus dem Jnnern gekommen. Die formell geschidte
Technik, die noc< übrig bleibt, wenn das Innere und Aeußere ausein-
anderfällt, ist eben nicht die wahre, die lebendige, Die näheren Ursachen
des Nichtkönnens, wie sie im Innern des Künstlers zu suchen sind, können
sehr verschiedene sein: Mangel an Begabung, Unreife, Erloschensein der
Phantasie , Erkranktsein derselben in Künstelei, Grille, Citelkeit im Auf-
geben von Geheimnissen? diese innere Seite beschäftigt uns hier nicht
mehr, nachdem wir die Lehre von der Phantasie und von der Allegorie,
der häufigsten Form des Dunkels, entwickelt haben, vielmehr stehen wir
jet an dem Puncte, wo alle jene innern Mängel als äußere erscheinen
müssen, indem die Stockung der Geistesthätigkeit in einer Sto>ung der wah-
ren, naturvollen Technik zum Vorschein kommt, das ausgeführte Werk sich
nicht als geworden, sondern als gemacht darstellt und eines Commentars über
seinen Sinn bedarf. Nur der Fall ist noch besonders zu erwähnen, wo ein
pathologischer Zustand des Künstlers oder ein Mangel an Zufluß allgemein
bedeutender Phantasiebilder Ursache der besonderen Form des Dunkels ist,
welche Erläuterungen aus der Lebensgeschichte des Künstlers nothwendig macht;
dieser subjective Charakter ist nämlich ein besonders häufiger Mangel von Kunst-