Full text: Die Kunst überhaupt und ihre Theilung in Künste (3. Theil, 1. Abschnitt)

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unwährscheinliche Verdacht hinzutritt, daß Othello verbötenen Umgang mit 
seinem Weibe gehabt habe, 
2. Zu wenig: dieß hat dieselbe doppelte Bedeutung: es fehlt 
entweder im Wesentli<en, die Grund - Idee ist nicht ausgedrüct, oder 
sie ist in den Theilen des Ganzen - nicht erschöpfend ausgedrüct. Das 
Erstere ist der Fall, wenn es einem Kunstwerk an dem lekten Lichtpuncte 
fehlt, der die Seele ves Ganzen zu Tage bringen sollte, wenn die 
innerste Absicht wie mit einem Schleier bedec>t istz ein sol<er Mangel 
wird au gewissen Hauptstellen , wie im Porträt an Auge und Mund am 
empfindlichsten gefühlt werden, und was in diesem Bei'piel die lekten 
trefsenden Lichter und Schatten sind, das kann im historischen Bild, im -Mo 
Roman, Drama eine ganze Figur, Scene seyn, womit der Künstler in Einh 
der Schuld geblieben istz der Fehler wird sich aber ebensosehr durch das wen? 
Ganze hindurchziehen als eine Undurchsichtigkeit, ein Mangel an Retief, Ruh: 
an sc<lagendem Durchbru<ßh der Bedeutung in allen Hauptstellen. ästhe 
Solhe Werke beunruhigen dann, wie wenn man eine verwischte 
Scrift bey schlechtem Lichte lesen soll. Es kann aber auch, und dieß 
ist der andere Fall, alles Nothwendige da und doch das Ganze dürftig 
sein. Ein dramatischer Dichter gibt z. B. holzschnittartig die Grundzüge 
einer Leidenschaft, aber nicht ihren vollen Strom, nicht ihre Beredisamfeit, 
Sophistik , Bilderfülle, oder er spricht ein Moment des Ganzen aus 
durch Eine Figur, Ein Ereigniß, Eine Handlung, wo der reiche Dichter, 
ohne darum in das Zuviel zu gerathen , dasselbe Moment in mehreren 
Tönen, Scattirungen, durch mehrere Personen, Scenen giebt. So 
entfaltet Schillers Wilhelm Tell das revolutionäre Element in 
den verschiedenen Formen der jugendlichen Leidenschaft, der besonnenen 
Berathung, der einsilbigen Entschlossenheit u. s. w. Cs führt übrigens 
dieser Punct auf ein 'anderweitiges Compositionsgeset , welches 
in der weiteren Entwicklung zu erörtern ist, Hier ist nur noh allgemein 
auszusprechen, daß alle äc<te Kunst nicht dünn und spärlich, sondern voll 
und üppig quillt, nicht aus Einer, sondern vielen Röhren sprudelt und 
mehr vor dem Zuviel als dem zu Weniz sich zu hüten hat. 
3. Daß die Thätigkeit, wodurch dieses obersie Compositionsgeseß 
erfüllt wird, gleichzeitig ein wiederaufgenommenes Schaffen und ein 
fritisches Messen sein muß, diese Forderung begründet für das Begreifen 
des vorliegenden Actes keine neue Schwier'gkeit. Wenn sc<hon die 
Erzeugung des innern Zdeals eine Einheit von Begeisterung und 
Besonnenheit ist, so erleichtert in der Ausführung der Skizze die nun 
vor dem äußern. Sinn sich ausbreitende Form das Zusammenwirken der
	        
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