Full text: Die Kunst überhaupt und ihre Theilung in Künste (3. Theil, 1. Abschnitt)

läßt sich seht leiht auch auf Kunstwerke übertragen, die nur Eine Gestalt 
darstellen. Die einzelnen Glieder einer Figur sind in ihrer Stärke, in 
dem Grad ihrer sich vordrängenden oder zurücktretenden Thätigkeit dem 
Charakter des Ganzen untergeordnetz dazu gehört auch die Gewandung, 
sie ist minder wesentlich, aber weit mehr, als bloßes sogenanntes Beiwerk. 
In der Architectur sind Seitenflügel, Oeffnungen, Glieder des Gebäudes 
fol<e untergeordnete Momente des Ganzenz was hier die Stelle des 
Beiwerks vertrete, davon unter 2. In der Musik kann kein Zweifel über 
den Sinn des Unterschieds zwischen Herrs<hendem, Untergeordnetem u. s, w. 
entstehen, ebensowenig in irgend einer Gattung der Poesie. In der 
Ausführung der Skizze wird nun der Künstler immer finden, daß im 
innern Bilde das rechte Werthverhältniß zwischen den Theilen, richtiger 
Gliedern des Ganzen noch nicht besteht. Der 8. unterscheidet Ueberordnung, 
Nebenordnung, Unterordnung. Hier kann nur darüber ein Zweifel 
entstehen, was unter Nebenordnung verstanden sey, Der absolute 
Mittelpunct des Ganzen duldet natürlich nichts Nebengeordnetes, sondern 
nur Untergeordnetes, er soll herrschen. Wenn auch zwei Helden kämpfend 
sich gegenüberstehen, oder neben einer Haupthandlung eine zweite verwandte 
hinläuft, so darf dort der zweite Held, hier die zweite Handlung doch 
nur der Exponent für die: Größe des Haupthelden, der Haupthandlung 
sein. So in Shakespeares Macbeth ist dieser nicht, seine Gemahlinn, die 
Hauptfigur, im Antonius dieser, nicht Octavian, im König Lear wiederholt 
sich die tragische Störung der Familie Lears im Hause Glosters, aber 
diese verstärkt nur jene, verdrängt sie niht aus dem Vordergrund, Allein 
innerhalb des Untergeordneten steht Einiges auf gleicher Höhe, gleicher 
ästhetischer Rangstufe , ist sich also nebengeordnet, So stehen sich in 
der Gruppe des Laokoon die beiden Knaben, dem Vater untergeordnet, 
ungefähr in gleichem Gewichte der Bedeutung, wiewohl unter sich wieder 
verschieden, gegenüber. So treten im König Lear Edgar und Cordelie 
einander gegenüber als verwandte Lichtpuncte in einer verdorbenen 
Welt. Es können auch" Gegensäte sein: so erscheinen Kent und Oswald, 
der treue und der schurkis<e Diener, einander gegenüber gestellt, ihr 
Gegensag gibt ihnen dieselbe. Nichthöhe, die sich in einem Gemälde, einem 
plastischen Werk auch räumlich ausdrüken würde. In der Baukunst sind 
diese Verhältniße am klarsten und treten unmittelbar ins Auge, wenn 
Theile, die zu zweien oder mehreren symmetrisch sich gegenüberstehen sollen, 
wie Flügel, Fenster, Portale u. s. w. verkehrter Weise nicht in dieser 
Ordnung gestellt sind. In der einzelnen menschlihen Figur ist dieß 
Gegenüber durc< den Bau des Körpers gegeben: das Haupt emporragend, 
tiefer auf gleiher Höhe Schultern, Arme u. s, f. Wir reden übrigens 
no< nicht sveziell vom räumlichen Compositionsgeses, darum wäre eine 
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