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unbestimmte Menge von Individuen derselben Art hinausweist. Im Reineke
Voß gibt es eigentlih nur Einen Löwen, Hasen, Fuchs u. s, w. mit ihrer
respectiven engeren Familiez dennoch treten auch die Veiter und Basen auf
und es stört die Jilusion nicht, daß neben dem Einen Exemplar sich auch die
Menge zeigt, die es repräsentirt. So ist im Landschaftgemälde durch
verschwindende Fernen, Berge, Ebenen, Baummassen angedeutet, daß der
Ramen nicht wirklich die unendliche Welt einschließt, in der Musik ist
jeder Ton Glied einer unendlichen Kette, die über das vorliegende Kunst-
werk hinausliegt und das Finale scheint oft zu zweifeln, wo in der
angeschlagenen Tonfolge es Halt machen wolle, im Drama sind am Ende
des Gewebes die Fäden sichtbar, die auf den in ver Wirklichkeit fortlau-
fenden Fluß der Geschichte hinausweisenz die bekannte Frage über die
Unbestimmtheit des Abschlusses im Epos wollen wir hier nicht beiziehen,
weil sie in der That zu speziell ist. Dieser an den Grenzen des Gewebes
sichtbare Zettel ist die an sich unschädliche Reminiscenz an die Wirklich-
feit als einen unendlichen Fluß (8. 10 und 11). Unschädlich: denn daß in
diesem endlosen Verlauf die Idee anseinandergezogen ist in jene Breite,
wo das Schönste nicht wahrhaft schön, sondern mit dem störend Häßlichen
vermischt, daß daher ein wirklich schöner Ausschnitt aus diesem äußerlich
Unendlichen eine Täuschung ist, das vergißt der Zuschauer über der Macht
der Behandlung, welche auch die äußersten, an der sinnlihen Grenze des
Kunstwerts liegenden Theile zusammenfaßt in die Licht- Farben- Linien-
Ton- Handlungs - Einheit des Ganzen. Ein gutes Porträt z. B. zeigt
ein Individuum in seinem wahren Seinz doch fehlen die Einzelnheiten
nicht, die uns gestehen, daß in der Wirklichkeit dieses Individuums ein
sol<er absoluter Moment, wo es ganz ist, was es ist, nicht gegeben ist,
daß es hiezu jener Zusammenziehung (8, 53) bedurftez zudem ist es ja
unserem. Bewußtsein ganz gegenwärtig, daß außer dem Bilde das wirk-
liche Individuum mitten in den unendlichen Abhängigkeiten der unerbitt-
lihen Realität lebt oder lebte3 allein der Genius seines Lebens, sein
leuchtendes Urbild, yom Künstler geschaffen, steht zwis<en uns und ihm und
hält es gleichsam mit bergendem, rettendem Arm umfaßt, resorbirt gleich- :
sam in jedem Momente das so eben auftauchende Bild seiner gemeinen |
Wirklichkeit. Daher tragen wir auc< nach beendigter Ansc<auung des 1
Kunstwerks seine. erlösende Kraft hinein in das von ihm erfaßte Gebiet R
des Lebens, wenn wir, von jenem noc< durc<drungen, es betreten: wir :
kennen seine Mängel, aber der verklärende geistige Schleier liegt noch l
frisch darüber. Im ersten Schritte zur Ausführung nun aber, in der ,
Skizze, wird es sich finden, daß das innere Bild, obzleich einerseits noch
zu dünn. und idealistisch, andererseits an seinen Rändern hin zu viel
Breite des Stoffes hat, um sie in die geistige Einheit so zu befassen, daß