Full text: Die Kunst überhaupt und ihre Theilung in Künste (3. Theil, 1. Abschnitt)

über, als sie dem Volke in der Form ihres Bewußtseins no< näher 
standen , tro dieser Wendung zu einer einzelnen Volksclasse hin no< 
ungleich freiere Bewegung in Erfindung und Anlegung seines Werks, so 
vollendete sich nun erst und dauerte tief in das achtzehnte Jahrhundert 
herein zugleich mit der Losreißung vom Volke seine Abhängigkeit von 
der höheren Gesellschaft. Nicht mehr das Bewußtsein, die Sitte und 
Stimmung eines Volksganzen wird in die fremdartigen gelehrten Stoffe, 
in die entstellte Antike gelegt, sondern nur der Geist und die Cultur- 
formen des Hofs und Adels. Composition, Styl, alle Formen werden 
conventionell über Einen Leisten geschlagen und die Kunst wird so sehr 
von der Bestellung beherrscht, daß selbst die am unmittelbarsten subjective 
Form der geistigsten Kunst, die lyrische Poesie, stückweise zu festen 
Preisen nach der Anzahl der Verse u, s. w. bezahlt wird. Wir stehen 
hier an demselben Puncte, der in 8. 476 dargestellt ist, nur daß wir 
ihn jekt von einer andern Seite, nämlich vom Standort der Frage nach 
der Freiheit ver innersten geistigen Thätigkeit des Künstlers, auffassen und 
daß uns der dagewesene Zustand jebt nicht als etwas Historisches 
beschäftigt, sondern als eine Form, die immer möglich und, nur nicht 
als herrschende , sondern an den Rand gedrückt, auc< in guter Zeit wirk- 
li< ist. So kann das Conventionelle auch in besserer Zeit als ein 
Stützpunkt für Einführung idealerex Formen in Opposition gegen herr- 
schenden Naturalismus aufgenommen werden, wie von Göthe auf dem 
Theater zu Weimar, Daher ist die höfisch geregelte Kunst nicht immer, 
begreifliher Weise aber häufig zugleih ein Dienst der Lüsternheit 
und pikanter Effectez denn eine vom gesunden Volksboden losgerissene 
Gesellschaft wird mehr oder weniger die wahre Grazie immer mit jenem 
reflectirten Kitzel der zurücgetretenen Sinnlichkeit (8. 73) zu verwechseln 
geneigt sein. 
6. 506. 
; In vollen Gegensaß gegen diese Bindung wirft sich die Kunst, wenn sie 
von dem innern Bilden des Ideals ohne Vermittlung einer den Zuschauer im 
Auge haltenden Besinnung zum Darstellen überspringt. Dieß unmittelbare Schaffen 
aus der Begeisterung läßt jedoch nicht einmal jenen innern Prozeß (5. 393-399) zur 
Reife gelangen und die scheinbar unbedingte Freiheit schlägt in Medanisirung 
und vollständige Abhängigkeit von dem auf die plößliche Geburt wartenden 
2 Zuschauer um, besonders im eigentlichen Improvisiren. Auch wird eine solche 
Kunst durch ihren Naturalismus dem ungeläuterten Volksfinne dienstibar, 
1. Aich dieses Berhalten der Phäntasie ist in 6, 478 als eine 
historische Föxm aufgeführt worden, steht aber hier als eine Erscheinung, 
372
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.