Full text: Die Kunst überhaupt und ihre Theilung in Künste (3. Theil, 1. Abschnitt)

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wird, Von diesem Standpunct aus leuchtet nun die Nothwendigkeit ein, 
daß der Künstler für Ein Werk mehrere Modelle benüße. Zunächt for- 
dert dieß die Unvollkommenheit jedes Naturschönen als eines Einzelnen z 
da nun aber die Ansammlung mehrerer unvollkommener Erscheinungen 
immer noch keine Vollkommenheit macht, sondern der Schein des Voll- 
fommenen rein das Werk der Phantasie ist, so kann die Benützung meh- ' 
rerer Modelle eben nur die Bedeutung haben, daß der Phantasie durch 
ein Vergleichen gegebener Natur - Erscheinungen der Stoff gegeben werde 
für die organische, freie That, und zwar jezt, nachdem wir die That 
der Idealshöpfung an sich längst hinter uns haben, der That in dem 
Sinne einer zweiten, die erste, blos innere, zum AusdruF der vollen 
Lebenswärme und Naturbestimmtheit erhebenden Schöpfung. Daß dieß 
lebendige freie Vergleihen und Einschmelzen in die Einheit des innerlich 
schon vollendeten Bildes im 5. als grundverschieden von der mechanischen 
Arbeit des Eklektikers bezeichnet wird, der ohne jene innere Schöpfung 
ein todtes Mosaik aus einer Vielheit empirischer Gestalten zusammenliest, 
bedarf keiner weitern Begründung. Zeuris hat aus den Mädchen von 
Kroton, die ihm für seine Helena Modell standen, keine Allgemeinheit im 
Sinn der Schule der Caracci zusammengeseßt; daß die Griechen in der 
Zeit na< Phidias das Modell vielfa< und namentlich in dieser Art der 
Benüßung mehrerer Modelle gebrauchten, darüber vergleihe C. Fr. 
Hermann a. a, O. S, 29. 30, der au< Belege aus der gleichzeitigen 
Philosophie , daß sie dieß Verfahren als ganz gerechtfertigt ansah, und 
die Bemerkung von Quatremere de Quinoy (EsSai zur ! imitation S, 246) 
zu Cicero Or. 6. 3 (vergl. zu uns. 8. 389 B. I. S, 360) anführt: 
„Ciceron 3 Specisie le genre - d" imitation individuelle, au quel ne se 
bornait pas le travail de Phidias; je dis au quel ne Se bornait pas, 
Parceque pretendre, qu'on ne fait pas la copie ou le portrait d? un 
modele Seul, w'estpas pretendre, qu'on ne 8e Sert d'aucun modele“, Uebrigens 
hat das Modell seine Bedeutung nur für Form in der Ruhe, Farbe, 
für die Bewegung, sofern sie nicht zu stark ist, um sie willführlic< hervor- 
bringen und einen Moment derselben festhalten zu können; für den 
Gesichisausdru> der Leidenschaft ist es durchaus nicht zu gebrau<en und 
was von Peinigung der Modelle zu diesem Zwe erzählt wird (Seneca 
berichtet shon von dem athen. Maler Parrhasius, er habe einen Kriegs- 
gefangenen gekauft und gepeinigt, um nach ihm einen Prometheus 
darzustellen) , gehört zu den Verzerrungen der Kunst, =- Mit diesen Be- 
merkungen ist erledigt, was zu 8. 398, 2. als eine dort noc< nicht zu 
erörternde Frage über nachträgliches Benüßen eines einzelnen Natur- 
s<Hönen bei der Ausführung des innern Bildes angekündigt ist,
	        
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