Full text: Die Bildnerkunst (3. Theil, 2. Abschnitt, 2. Heft)

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Entfaltung des Furchtbaren und Komischen, einer Ehigkeit der Formen, das 
Malerische der Composition in perspectivischer Behandlung des Relief mit einer 
Bestimmtheit herrscht, welche auf den ersten Blick als bloße Manier und Ver- 
irrung erscheint, Allein nicht nur erhält sich auch jeßt uoch ein Rest statuari- 
sher Würde und Gediegenheit, soadern die ganze Kunstgattung verzichtet durch 
die Art ihres Auschlusses an die Baukunst auf Selbständigkeit, ergänzt diese 
in einem dichterischen Cyklus und bedeckt die harte Wahrheit ihrer Formen 
durch völlige durchgeführte Polychromie , mit welcher die ornamentistische Hal- 
tung des Ganzen wieder versöhnt. 
Der neue Styl tritt zuerst in Flandern, hier bereits im vierzehnten 
Jahrhundert, auf und ist ohne Zweifel von hier in Deutschland einge- 
drungen. Das bunte Altarschnigzwerk wurde niederländische Arbeit genannt 
(vergl. Gesch. der deutsch. Kunst v. E. Förster Th. 2, S. 17). Dieser Styl könnte 
als gothisch bezeichnet werden, weil man bei dem Gothishen doh vorzüg- 
lich an das nordisch E>>ige, stachlicht Individualisirte zu denken gewohnt 
ist. Wir haben uns bereits dagegen erklärt, daß er als Abfall vom Ideal 
aufgefaßt werde. Der Zug des Mittelalters war ein anderer, als der 
des Alterthums; was im Zusammenhang antifen Entwilungsganges Fall 
war, ist im Mittelalter Steigen. Freilich set dieß eine andere Kunst- 
gattung als das Bett voraus, worin das wesentlich verschiedene Ideal des 
Mittelalters seine Höhe erreicht: die Malerei z aber überall reißt die vorzüglich 
herrschende, das Jdeal einer Zeit aussprehende Kunst die andern Künste 
mit sich fort und in die Scharte, die dadurch den aus ihrem Wesen flie- 
ßenden Stylformen geschlagen wird , dringt versöhnend und entschädigend 
eben jener Zug des Ganzen mit seiner hohen Berechtigung. In Grie- 
<henland konnte die Malerei und Poesie neben dem herrschenden Zuge 
zu plastischer Idealität keineswegs den Styl entwi>eln, in welchem sich 
erst die Fülle des Wesens dieser Künste zeigt, aber wir bewundern sie 
doch , weil wir vom plastischen Grundgefühle fortgerissen die Mängel der 
Entwieklung mit der Vollkommenheit der plastischen Kunst durc< eine Ue- 
bertragung de>en. Das mild Schöne des anmuthigen romanisch - germa- 
nischen Styls ist übrigens in diesem herben Style nicht geradezu ver- 
shwundenz wir erinnern nur an Ein Beispiel, die herrliche betende Ma- 
ria der Kunstschule zu Nürnberg, wo selbst der weiche Faltenfluß nicht 
fehlt. Auch in Christusbildern dringen vereinzelt wieder ideale Bildun- 
gen durch , im Ganzen aber herrschen grobe nordische Körper - und Ge- 
sichtsformen , eige Bewegungen und Falten, die Trachten der Zeit tre- 
ten rücksichtslos neben den idealen Gewändern der höheren Typen auf, 
der Künsiler greist nach den härtesten Zügen individueller Eigenheit, durch- 
wandelt unplastisch den Himmel und die Hölle der Affectenwelt des <rist-
	        
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