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Kaufmannsstand sich noch nicht ganz ausgebildet hatte. In West-
europa war damals die Zeit, wo die Dogen und Nobili von Venedig
und Genua, Kirchen und Klöster, Geistliche aller Grade, selbst
Könige und Herzöge am Handel teilgenommen hatten, bereits vor-
bei. Dagegen verdienen die angeführten Unternehmungen in der
Salzgewinnung und -siederei, im Fisch- und Tierfang, im inneren
und auswärtigen Handel, sowie die Staatspachtungen aller Art eben
vom Standpunkte der kapitalistischen Entwicklung ohne Zweifel
Beachtung. Die Zusammenfassung so verschiedener Branchen und
Gewerbe in einer Hand (daneben auch von Grundbesitz, in dem stets
ein Teil des Vermögens angelegt wurde) zeugt freilich von einer
geringen Spezialisierung im Wirtschaftsbetrieb. Doch ist diese Er-
scheinung auch dem westeuropäischen Frühkapitalismus eigentümlich,
wo die Differenzierung von Warenhandel, Spedition, Bankgeschäften,
von Groß- und Kleinhandel noch im 18. Jahrhundert nur teilweise
durchgeführt worden war. Auch besteht der Unterschied zwischen
Westeuropa und Rußland darin, daß im Moskowitischen Reiche an
erster Stelle für den kapitalkräftigen Unternehmer Salzgewinnung,
Fischfang, Jagd (Zobelfang in Sibirien) sowie Pachtung von Staats-
monopolen standen, erst dann kommt der Handel, der hier eine
geringere Entwicklung als in Westeuropa aufweisen mußte, weil
die im Auslande für den Handel so wichtigen Einrichtungen, wie
das Girowesen, die Wechselzahlungen, die Börse u. a. m. fehlten.
Auch das Kreditwesen hatte noch wenig Bedeutung erlangt. Fehlte
doch der öffentliche Kredit. Endlich gab es ja in Westeuropa da-
mals eine weitverbreitete Hausindustrie (Verlagssystem). In Ruß-
land verlautet in den Quellen nichts davon. Bloß in der für den
Export so wichtigen Lederverarbeitungsbranche können hier Ver-
leger aufgekommen sein oder wenigstens Händler, die auf den
Märkten die von den Bauern bearbeitete Ware einkauften, um sie
weiter an fremde Kaufleute abzusetzen. Sonst wird man daran
kaum denken können, da ja die Bauern ihre landwirtschaftlichen
und Gewerbeerzeugnisse auf die Märkte und Messen selber zu ver-
führen und direkt an die Konsumenten abzusetzen pflegten. Jeden-
falls können es auch hier im besten Falle die ersten Anfänge der
Hausindustrie gewesen sein, einen ausgebildeten Verlegerstand bzw.
für denselben arbeitende Hausindustrielle gab es im 17. Jahrhundert
sicher noch nicht.
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